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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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Geräusch, das die Autoradios übertönte und den Menschen, die
es hörten, Schauer über den Rücken jagte. Mit zwei, drei Galoppsprüngen war die
Bärin bei der Garage. Ein Prankenhieb traf das Mädchen am Bauch und schleuderte
es auf den Beton. Katharina hoffte, dass Grizzly nun ihre Jungen schnappen und
mit ihnen im Wald verschwinden würde. Das tat sie nicht. Die Bärin riss das
Maul auf und biss in die Schulter der Kleinen, die jetzt schrie wie ein Hase,
den der Hund gepackt hat. Mühelos hob die Bärin das Mädchen hoch, schüttelte es
wie einen nassen Lappen und warf es mit einer kurzen Bewegung des Kopfes gegen
die Garagentür. Dann setzte sie nach und vergrub ihre weiß blinkenden Fangzähne
im Schädel des Mädchens. Das Krachen der Knochen klang kalt über die Straße.
Katharina schrie auf und rannte los, direkt auf die Bärin zu.

     

6

    Das Pochen drang in seinen Schlaf wie ein nächtlicher
Güterzug, der lange auf ein freies Gleis gewartet hatte und sich nun Waggon für
Waggon in Bewegung setzte. Schreiber kannte dieses Anrucken aus seinen Bochumer
Jahren. Er hatte nahe einer Eisenbahnbrücke gewohnt und in den Nächten nach der
Trennung von seiner Frau den mit Opel Kadetts beladenen Zügen gelauscht. Es
brauchte eine Weile, bis ihm aufging, dass dies Rumänien war und nicht der
Ruhrpott und der Güterzug ein Klopfen an der Tür.

    »Moment«, murmelte er und stand auf. Es gab kein
Waschbecken im Zimmer und auch keinen Spiegel. Schreiber strich das Resthaar
über seinen Ohren glatt und öffnete.

    Diana Steinkamp musterte ihn amüsiert. »Ausgeschlafen?«

    Sie trug beige Reithosen mit braunem Wildleder auf der
Innenseite der Schenkel. Kognakfarbene Stiefel reichten bis ans Knie. Die
aufgerollten Ärmel ihrer Bluse ließen kräftige, von der Sonne gebräunte Arme
sehen. Das Haar hatte Diana Steinkamp zu einem Pferdeschwanz verschnürt. Sie
wirkte nicht kostümiert. Man merkte, dass sie in Reiterklamotten groß geworden
war.

    »Sie sehen angeschlagen aus«, sagte die Amazone, als
Hannes vor lauter Betrachten keinen Ton herausbrachte.

    Schreiber seufzte. »Ich hab eine Lederallergie. Immer
wenn ich beim Wachwerden im Bett noch die Schuhe anhabe, schmerzt mein Schädel.«

    Die Steinkamp lächelte spärlich. »Den kannte ich schon
von meinem Vater. Wir sind schließlich im Schuhgeschäft. Ich wollte Sie
eigentlich zu einem kleinen Ausritt einladen. Sie können doch reiten, oder?«

    »Vor Jahren hab ich’s mal auf Islandponys probiert. Da
fällt man nicht so tief. Seitdem weiß ich, wo beim Pferd vorn und hinten ist.«

    »Das ist doch schon mal was. Merres hat für Sie einen
lammfrommen Wallach gesattelt. Die Reithosen von meinem Ex müssten Ihnen auch
passen. Schuhgröße?«

    »Fünfundvierzig.« Erst mit diesem wildfremden Kerl aus
einer Schüssel löffeln, dann mit einer Olympionikin durch die Berge reiten –
dieser Job begann anstrengend zu werden.

    »Passt auch«, entschied die Steinkamp wegen der Schuhgröße,
verschwand und tauchte kurz darauf mit einer fast weißen Hose über dem Arm und
Reitstiefeln in der Hand wieder auf. Sie drehte sich nicht um, als Hannes die
Jeans herunterließ und in die Stretchhosen ihres Exlovers, Exmannes oder wer
weiß was für eines Ehemaligen schlüpfte. Auf einem Bein bedenklich schwankend,
quälte er sich in die Stiefel. Schreiber hätte gern in den Spiegel geschaut, um
wenigstens grob über den Spaßfaktor seiner Verkleidung informiert zu sein.

    Diana Steinkamp schien sein Problem zu kennen. »Stilvoll
wie ein englischer Jagdreiter«, frotzelte sie. »Fehlt nur noch die
scharlachrote Jacke.«

    Hinter der Scheune wartete der Merresmisch mit den
Pferden. Das kleinere war eine hellbraune Stute mit blonder Mähne. Sie sah aus
wie ein Pferd gewordener Caffè Latte. »Das ist Saba«, stellte Frau Steinkamp
vor. »Ein Kisberi-Halbblut. Sehr vorwärtsgängig und springfreudig. Saba liebt
lange, schnelle Galoppaden.«

    »Angenehm, Schreiber«, sagte Hannes und tätschelte der
Stute den Hals. »Ich bin ein Ruhrpott-Vollblut. Schwergängig und trinkfreudig.
Ich liebe Fußballspiele mit Verlängerung und Elfmeterschießen.«

    Die Steinkamp lachte. Es war das erste Mal, dass
Schreiber ihr mehr als ein müdes Lächeln entlockt hatte. Neue Hoffnung keimte
in ihm. Vielleicht würde er die Schale, in der die Jungunternehmerin steckte,
doch knacken können. Leicht würde es mit Lady Di nicht. Das Lachen in ihren
Augen verschwand so schnell, wie es gekommen war.

    »Bei
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