Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder
Autoren: Marie Rutkoski
Vom Netzwerk:
Gebäuden. Der Weg wurde zu einer kopfsteingepflasterten Straße, die direkt durch Okno führte.
    Der Ort wirkte wohlhabend. Es gab ein paar Gebäude aus Stein. Die Holzhäuser sahen gepflegt aus, und oft verzierten verschiedenfarbige Muster die Fensterrahmen, in die häufig echtes Glas eingesetzt war. Ladenschilder priesen die Waren an: Lederzaumzeug für die Pferde, Bücher, Tischlerarbeiten, Glaswaren und Stoffe. Frauen in faltenreichen und sauberen Röcken gingen vorbei. Selbst ein vorüberstreunender Hund wirkte ziemlich fett für einen Straßenköter. Die Straße führte auf einen kleinen Platz, dessen Mitte ein schön gestalteter Brunnen zierte. Das Wasser plätscherte über drei steinerne Stufen nach unten. Martin zog ein Stück Papier aus der Jackentasche und studierte es. »Hier links«, sagte er.
    »Das macht irgendwie keinen Sinn«, grübelte Jarek.
    » Ich bin der mit der Karte, und du bist der, der nach links fährt.«

    »Nein, ich meine doch, das da« - Jarek deutete mit dem Kopf nach hinten in den Wagen - »macht keinen Sinn.Was hat er getan, um so eine Strafe zu kriegen und dann nach Hause geschickt zu werden anstatt in die nächstbeste Gefängniszelle?«
    »Weiß nicht.« Martin wedelte unbekümmert mit der Hand eine Fliege fort. »Vielleicht hat er jemanden getötet.«
    »Dann wäre er im Gefängnis oder würde hingerichtet.«
    »Vielleicht hat er den Lieblingshund des Prinzen umgebracht.«
    »Dann wäre er im Gefängnis oder würde hingerichtet oder beides.«
    Martin lachte.
    »Ich sag nur«, fuhr Jarek fort, »wenn du ein Unkraut loswerden willst, knipst du nicht nur was von seinem Stängel ab und machst dann Feierabend.« An der Straße, in die sie eingebogen waren, standen weniger Häuser.Wind fegte zwischen den Gebäuden hindurch und durch die verschwitzten Haare der Männer. »Das Unkraut wächst nach. Es gibt immer eine Gelegenheit für Rache.«
    »An ihm ?« Martin lachte wieder. »Na, ich bin vielleicht froh, dass ich dich zum Fahren ausgesucht hab. Du bist schon ein lustiger Kerl. Aber Unkraut oder nicht, dieser Bursche ist nicht in der Verfassung, etwas zu unternehmen. Halt mal an …« Martin schaute wieder auf die Karte und blickte dann zu dem hohen, schmalen Steinhaus, das weit von den anderen Häusern entfernt stand. Als sie näher kamen, sahen sie, dass sich im Erdgeschoss ein Laden befand,
dessen Fenster mit seltsamen Metallgegenständen vollgestopft war: Uhren und Zinnspielzeuge, die wie Heuschrecken herumhüpften. Jarek konnte die Worte nicht lesen, die über die Tür gemalt waren, doch ein Schild, das an der Hausecke hing, zeigte einen detaillierten vielzackigen Kompass. »Halt hier an«, sagte Martin. »Hier ist es.«
    Jarek zog die Zügel an. Seine Hände ruhten im Schoß, doch die Lederbänder hatte er noch immer im Griff. »Er hat vielleicht Söhne, wütende Söhne.«
    Martin klopfte Jarek auf die Schulter. »Keine Angst, mein Freund«, sagte er und zeigte auf die Haustür, die jetzt geöffnet worden war. In der Tür stand ein Mädchen von zwölf Jahren, ziemlich groß für sein Alter. Das Gesicht unter dem Gewirr von langen braunen Haaren war wachsam. Es trug ein Nachthemd, doch es stand trotzig da, als wollte es damit ausdrücken, dass es zwar wusste, dass das etwas ungewöhnlich war, ihm jedoch völlig egal. Es blickte die beiden unverwandt an. Die Augen hatte es zusammengekniffen, aber vielleicht, dachte Jarek, war das wegen der Sonne und nicht, weil es sie jetzt schon hasste.
    Martin beugte sich zu Jarek und flüsterte ihm ins Ohr: »Wie ich gesagt hab, keine Angst. Er hat nur sie.«
    Jarek kam es so vor, als wären seine Rückenschmerzen stärker geworden.
    Die Stute seufzte. Dann redete sie leise in seinem Kopf mit ihm, wie sie sonst mit keinem anderen Menschen sprach, denn sie kannte sonst keinen, der Jareks Begabung hatte, sie zu verstehen. Wenn du ein Pferd wärst , sagte sie zu ihm, wärst du es gewöhnt, so unerfreuliche Lasten zu überbringen.

Das Haus zum Kompass
    FRÜHERAN diesem Morgen war Petra Kronos von einem metallischen Ticken geweckt worden. Das kam nicht, wie man vielleicht denken könnte, von einer Uhr. Es hatte keine Glocken zum Läuten und es hatte keine zwei Zeiger. Doch es hatte acht Beine und so etwas wie ein Gesicht, ein sehr kleines, das von zwei Augen beherrscht wurde, von zwei grünlich glitzernden Punkten. Astrophil, Petras Zinnspinne, hüpfte um ihren Nachttisch neben dem Bett herum und rief: »Wach auf! Wach auf, du Faultier!
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher