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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder
Autoren: Marie Rutkoski
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der Prinz kam, um nach ihnen zu suchen.
    Sie blickte auf die Klinge, auch wenn sie nichts sah.
    Was willst du damit machen?
    Sie antwortete Astrophil, als ob die Antwort auf der Hand läge: »Ich werde üben.«

Anmerkungen der Autorin
    ALS ICH Prag zum ersten Mal besucht habe, begleitete mich mein Cousin David, als ich mir die astronomische Uhr ansehen wollte, die sich mitten auf einem Platz in der Altstadt befindet. Er erzählte mir, es gäbe eine Sage, dass der Uhrmacher, nachdem er sein Werk vollendet hatte, geblendet worden wäre, damit er niemals wieder etwas wie dieses hier bauen könnte.
    Mehr hat David hierzu nicht gesagt und ich bin dieser Sage nie weiter nachgegangen.
    Ich besuche meine tschechische Verwandtschaft nicht sehr oft, doch im letzten Sommer saß ich dann wieder in einem Straßenrestaurant mit David, dessen Schwester (Petra), dessen Mutter (Jana) und dessen Großmutter (Mila). Ich erzählte ihnen vom Kabinett der Wunder und erinnerte David an das Gespräch, das wir vor zehn Jahren am Uhrenturm geführt hatten.
    Er schwieg, und dann antwortete er vorsichtig und wohlwollend, wie immer, wenn er meine Sprache spricht: »Aber ich glaube, die Sage ist nicht wahr.«
    Ich habe mich nie darum geschert, ob eine Geschichte
wahr war oder nicht. Das meiste im Kabinett der Wunder ist reine Erfindung, in meinem eigenen Labor im Denkerflügel zusammengebraut. Aus der historischen Geschichte habe ich mir genommen, was ich wollte, und was ich mir genommen habe, habe ich verändert.
    Das Kabinett der Wunder spielt in der Renaissance gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts, doch in meiner Renaissance gibt es Magie und alle möglichen Ereignisse, die sich von dem unterscheiden, was tatsächlich geschehen ist. Mikal Kronos’ Uhr ist der ähnlich, die mir David gezeigt hat, aber sie ist nicht dieselbe.
    Prinz Rodolfo beruht ganz entfernt auf Rudolf II., der ein Mitglied der Habsburgerfamilie war und der nach dem Tod seines Vaters, Maximilian II., den Titel »Kaiser des Heiligen Römischen Reichs« geerbt hat. Rudolf war bereits Kaiser und über dreißig Jahre alt, als er seinen Hof von Wien nach Prag verlegte. Rodolfo seinerseits ist sehr jung und nicht annähernd so mächtig. Doch Rudolf und Rodolfo haben eines gemeinsam: Sie besaßen beide ein Kabinett der Wunder.
    Ursprünglich war ein Kabinett der Wunder ein Möbelstück, das dazu diente, seltsame und schöne Gegenstände zur Schau zu stellen. Reiche Leute bauten ihr Kabinett mit der Zeit aus, und es konnte Dinge enthalten wie Narwalstoßzähne (von denen einige Menschen glaubten, sie wären die Hörner von Einhörnern), Ölgemälde und Strau ßeneier. Manchmal wurden die Sammlungen so groß, dass das Kabinett zu klein wurde und sein Inhalt ein ganzes Zimmer füllte. Dann wurden für die Sammlung mehrere
Zimmer gebraucht, und eventuell wurde sie zu dem, was wir heute ein Museum nennen.
    Das Kabinett der Wunder von Rudolf II. war eines der eindrucksvollsten in Europa. Der König war fasziniert von grotesken Gegenständen, mechanischen Geräten und neuen Erfindungen. Magie faszinierte ihn, und ihm waren Leute willkommen, die behaupteten, sie könnten sie ausüben.
    Eine solche Person war John Dee. Er hat tatsächlich gelebt und war noch dazu ein faszinierender Mann. Er war ein weithin bekannter Magier, Mathematiker, Astrologe, ein Berater Königin Elisabeths, ein Besucher Böhmens und (vermutlich) ein Spion.
    In der Renaissance glaubten Dee und viele andere Menschen an Wahrsagerei. Man dachte, dass nur Kinder wahrsagen könnten und dass sie dazu in einen Kristall, Spiegel oder in eine eingeölte Oberfläche blicken müssten. Dee hatte versucht, seinem achtjährigen Sohn Arthur das Wahrsagen beizubringen, doch der Junge hatte nie etwas Besonderes in dem Kristall gesehen. Bevor nun jemand auf den Gedanken kommen mag, der echte John Dee wäre ebenso unerfreulich gewesen wie meiner, sollte ich sagen, dass es keinen historischen Beleg dafür gibt, dass Kinder als Ergebnis des Wahrsagens ihren Verstand verloren hätten. Das habe ich mir ausgedacht.
    Neel ist erfunden, die Roma jedoch keineswegs. Ihre Ursprünge sind zwar ungewiss, aber wahrscheinlich kamen sie aus Indien und zogen von da aus durch den Mittleren Osten, Europa und andere Teile der Welt, wobei sie ständigem
Misstrauen und oft auch Verfolgungen ausgesetzt waren. Über fünfhundert Jahre lang waren sie in Rumänien versklavt, bis das im neunzehnten Jahrhundert aufgehoben wurde. In der jüngeren Geschichte
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