Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder
Autoren: Marie Rutkoski
Vom Netzwerk:
Verband etwa Schreckliches verbarg. Aber ihr Vater - blind? Er würde nie mehr in der Lage sein zu arbeiten. »Das ist unmöglich.Warum sollte der Prinz das tun? Vater macht eine großartige Uhr für ihn. Vater kann sie doch nicht fertig machen, wenn er sie nicht sehen kann.«
    »Sie ist schon fertig, schneller als geplant. Dein Vater wollte so schnell wie möglich wieder nach Hause. Er sagt, als er das letzte Zahnrad eingebaut hatte, sei er von einigen Soldaten und einem Wundarzt überrascht worden, der
eine Art Magier war. Dann ist der Prinz gekommen und hat ihm dafür gedankt, ein solch schönes Meisterwerk geschaffen zu haben. Und dann hat der Prinz gesagt, niemand könnte oder würde jemals wieder so etwas bauen. Und dann« - Ditas Lippen bebten - »hat er dem Wundarzt befohlen, deinem Vater die Augen zu nehmen.«
    »Aber warum? Warum hat der Prinz sie haben wollen?«
    »Ich weiß es nicht. Petra, du kannst mit deinemVater über das sprechen, was passiert ist.« Petra sprang vom Bett, doch ihre Cousine hob die Hand. »Aber nur kurz. Er ist sehr müde und seine Wunden schmerzen. Er braucht Schlaf.«
    Nachdem Dita das Zimmer verlassen hatte, wollte Petra etwas anderes anziehen. Dass sie diesen ganzen schrecklichen Vormittag lang ihr Nachthemd getragen hatte, ließ alles so unwirklich erscheinen, als würde sie immer noch schlafen und träumen. Sie wollte aufwachen.
    Astrophil löste seinen festen Griff um ihre Haarsträhne und glitt langsam ihren Arm hinunter. Petra schlüpfte in eine Hose, zog sich das Nachthemd über den Kopf und warf schnell ein Arbeitshemd über. Dann strich sie ihr Haar zurück und zurrte ein Band darum. Astrophil nahm auf ihrer Schulter Platz und sie stiegen zum zweiten Mal an diesem Morgen die Treppe hinunter.
    An der Tür zum Schafzimmer ihres Vaters fasste sie an den Türgriff, verharrte dann aber für einen Moment. Sie wollte die Tür öffnen, dann aber auch wieder nicht. Schließlich trippelte Astrophil ihren Arm hinunter und klopfte mit mehreren Beinen an die Tür.
    »Komm rein!« Die Stimme klang schwach, aber erstaunlich
vergnügt. Der Vater hörte sich fast so an wie vor sechs Monaten, als Petra an genau dieselbe Tür gepocht hatte, um ihm zu sagen, dass eine Kutsche der Burg vorgefahren war, um ihn nach Prag zu bringen.
    Petra stieß die Tür auf. »Hallo.«
    Sauberer weißer Stoff bedeckte die Augen ihres Vaters.
    Sie zog einen Stuhl durch das Zimmer und setzte sich neben das Bett. »Warum hat der Prinz dir das angetan?«
    »Weil er mich mochte.«
    »Mach keine Witze darüber.«
    »Das war schon ernst gemeint, also hauptsächlich.« Er tätschelte ihre Hand. »Wenn dir das ein Trost ist, der Prinz hat gesagt, ich würde für meine Arbeit bezahlt. Eventuell.«
    »Als ob ich mir jetzt darüber Gedanken machen würde!«
    »Also, wir müssen uns doch alle über etwas Gedanken machen.Astrophil?« Er hatte laut zu der Spinne gesprochen, doch eigentlich war der letzte Satz für Petra bestimmt gewesen. Durch seine enge Verbundenheit mit Metall und seine Fähigkeit, es mit seiner Gedankenkraft zu beeinflussen, hätte Meister Kronos sich mit der Spinne auch lautlos verständigen können, nur durch seine Gedanken.
    »Ja, Herr?«
    »Hast du auf mein Mädchen aufgepasst?«
    »Natürlich, Meister Kronos.«
    »Und wer hat auf dich aufgepasst, Vater?«, fragte Petra niedergeschlagen. »Warum willst du mir nicht erzählen, was passiert ist? Dita hat es mir zum Teil schon gesagt, aber ich muss die ganze Geschichte wissen.«

    »Die ganze Geschichte? Petra, selbst ich weiß nicht die ganze Geschichte. Was soll ich sagen? Der Prinz hat mich immer sehr gut behandelt. Er ist ein vielversprechender junger Mann. Sehr gescheit dafür, dass er noch keine zwanzig ist. Und sehr wissbegierig. Er hat mich oft eingeladen, mit ihm in seinen Privatgemächern zu Abend zu essen. Wir sind glänzend miteinander ausgekommen. Er zeigte mir Weltkarten, die sich von Tag zu Tag ändern, weil Forschungsreisende immer wieder neue Länder entdecken. Der Prinz beschäftigt mehrere Kartografen und sie arbeiten schrecklich viele Stunden am Tag. Sobald die eine Karte fertig ist, muss ein neuer Fluss, ein neuer Wasserfall, eine neue Insel oder eine neue Welt hinzugefügt werden. Der Prinz hat seine eigene, persönliche Karte, die wirklich genial ist. Es hat mehrere Tage gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie sein Oberkartograf, der ein begabter Magier ist, sie gemacht hat. Sie ist so groß wie der Kopf eines Nagels und der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher