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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Autoren: Gunter Gerlach
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Geld aufgebraucht war, das sie dafür erhielt, mit mir zusammen zu sein.
    Trotzdem glaubte ich ihr nicht. Ich kenne niemanden, der eine Frau dafür bezahlen würde, damit sie mit mir schliefe.
    Wer steckte dahinter? War es nur ein makabrer Witz? Es könnte auch eine Form der Rache sein. Wem war ich das wert? Wollte sich jemand einen Vorteil verschaffen, mich auf diese Weise in seine Schuld bringen? Aber ich verfüge über keine Macht, nicht über Einfluss und nicht über besonders viel Geld. Ich bin nicht prominent, kein Verbrecher, kein Mafioso. Ich bin nicht in der Politik. Selbst als Designer bin ich nicht besonders begabt. Was ich kann, können andere sicher auch.
    Sollte Scotty ein Geschenk sein? Mein Geburtstag war schon ein halbes Jahr her. Niemand erinnert meinen Geburtstag. Nicht einmal meine Mutter. Mein Vater erst recht nicht. Und selbst wenn ihnen mein Geburtstag einfiele, die Zeit der Geschenke war vorbei. Eine Frau als Geschenk, so etwas gibt es nicht. Nur im Kino.
    Nein, Scotty war klug, sie hatte sich das ausgedacht, um sich problemlos von mir trennen zu können. Hübsche Geschichte, eben wie auf der Leinwand. Im Grunde hatte sie nur genug von mir. Ich entsprach nach einer Probezeit von sieben Tagen nicht ihren Erwartungen. Fazit: Mit mir stimmt etwas nicht. Recht hatte sie. Und damit ich gar nicht erst auf der emotionalen Ebene für einen Fortbestand unserer Beziehung argumentierte, machte sie sich zur Prostituierten. Das Geld ist alle, die Zeit ist abgelaufen, ich verschwinde! Genial. Die Frau ist genial.
    Sie ahnte nicht, dass so etwas bei mir nicht nötig war. Es ist sehr schwierig für mich, normale Empfindungen zu haben. Glück, Ängste, Trauer, Liebe und so weiter stellten sich nur bedingt ein; soweit ich sie durch Beobachtung gelernt hatte, wusste ich sie im rechten Augenblick zu benutzen. Mein Gefühlsleben glich einer Art verstopftem Rohrsystem. Frauen? Schon vorher hatte ich festgestellt, ich würde niemals mit einer schlafen, wenn mein Körper nicht danach verlangte.
    Das galt bis heute. Diesmal war es anders. Durch Scotty war etwas anders geworden. Ich hatte mich verändert.
    Nein, diesmal wollte ich verstehen und begreifen, warum ich die Prüfung nicht bestanden hatte. Ich wollte mich ändern. Es konnte so etwas wie Furcht sein, die mich ergriffen hatte. Aber Verlustängste kannte ich nicht. Es konnte Besitzstreben sein, so wie ich meine Alphabete vollständig haben wollte.
    »Scotty?« Ich ging wieder ins Bad. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass es ein Gefängnis war. Eine Zelle in der Psychiatrie. Ein isolierter Raum für gefährliche Insassen, die sich selbst verletzen. Wanne, offene Duschkabine und Klo sind aus braunen Kunststoffteilen gepresst.
    »Scotty, ist es etwas mit mir? Ich meine, ich bin nicht normal, nicht wahr? Nicht so, wie andere Männer normal sind.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß, dass meine Psyche unterentwickelt ist. Ist es das?«
    »Hör auf. Du bist normal.«
    »Wirklich? Das kann nicht sein.«
    »Doch, jedenfalls fast.« Sie wickelte ein Handtuch um ihre Haare.
    »Fast?«
    »Manchmal bist du komisch.«
    »Ist es, weil ich zu alt bin?«
    »Rede keinen Unsinn.« Wasserreste aus dem Duschkopf trommelten hinter ihr auf den Kunststoff. »Wie alt bist du?«
    Ich zögerte. »Neununddreißig.«
    »Das sagen alle Vierzigjährigen, aber es ist in Ordnung.«
    »Ich bin nicht gut im Bett, nicht wahr? Ich bin langweilig, nicht leidenschaftlich genug. Ist es das?«
    Sie schüttelte den Kopf, hob die Arme. Ich glaube, sie ist eine echte Rothaarige – ihr Körper ist vollkommen haarlos, die Haut weißer Sand mit wenigen kleinen Leberflecken als braune Kiesel darin. Wasser floss in sich verzweigenden Strömen ihre Körperlandschaft herab. Der Frühjahrsregen in der Wüste, der an der Oberfläche Seen und Bäche bildet und die kleinste Vertiefung nutzt, um Stromschnellen und Wasserfälle entstehen zu lassen, und kaum ist die Regenzeit vorbei, sind alle Spuren wieder verweht. Wer dort lebt, muss auf Raubzüge gehen. Karawanen überfallen. Keine Überlebenden.
    »Scotty, ich bin ein Beduine. Ich will sagen, ich lebe in der Wüste, wie ein Kamel. Ich hab eine großen Wasservorrat, mehr hab ich nicht zu bieten, aber ich bin bereit, aus mir einen Menschen zu machen, beziehungsweise einen anderen Menschen. Einen, der seine Vorräte teilt, die Wüste fruchtbar macht, höflich, nett und lieb ist und all diese Sachen.«
    Sie lachte.
    »Ich werde mich in jeder Hinsicht bessern. Ich
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