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Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman

Titel: Das Jahr, in dem ich 13 1/2 war - Roman
Autoren: Beltz & Gelberg
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Und Kirche? Lass mich bloß damit in Ruhe.«
    Das klang ganz schön heftig. Ich wusste gar nicht, dass meine Mutter eine Meinung zur Kirche hat.
    »Du musst es nicht wollen. Es reicht, wenn ich es will. Maria ist auch meine Tochter.« So war Carsten. Der ließ nicht locker: »Ich würde dich gern mal mit in die Kirche nehmen. Vielleicht änderst du ja deine Meinung?«
    Ich dachte, ich bin im falschen Film. Was ging hier vor? Kein Mensch geht hier in die Kirche. Ich kenne jedenfalls keinen. Das wäre was, dachte ich plötzlich, ich in der Kirche und Matthias aus der achten sitzt zwei Reihen vor mir. Wie romantisch!
    Meine Mutter blieb ganz stumm. Carsten blickte sie intensiv an. Mella schüttelte den Kopf und schälte eine Apfelsine. Aus der Schale spritzten kleine Tröpfchen.
    »Zu Weihnachten kannst du gern in den Gottesdienst gehen«, gab meine Mutter überraschend nach, »und vielleicht komme ich mit. Ja, vielleicht. Frag mich das bitte später noch mal. Aber Maria …. dazu fällt mir gerade nichts ein. Ich fühl mich irgendwie überrumpelt. Ich wusste gar nicht, wie wichtig dir die Kirche und so ist.«
    »Müssen wir da auch mit?«, unterbrach ich sie. Ich musste so sehr an Matthias denken, dass die Frage aus mir rausplatzte. Warum eigentlich Matthias? Ich weiß überhaupt nicht, ob der was mit Kirche und Gottesdienst zu tun hat. Aber das liegt vielleicht an seinem Namen. Klingt irgendwie altmodisch, wie Kirche eben. Oder? Welcher Junge heißt denn heute sonst Matthias? Meine Gedanken flogen in alle Richtungen davon. Matthias und Kirche …
    Ich wusste auch gar nicht, wieso mich das interessieren sollte. Klar, ich sah immer schnell weg, wenn ich ihm in der Schule begegnete, und musste blöd in mich reinfeixen, wenn ich das Gefühl hatte, er guckt mich an. War ich denn verliebt in ihn? Ich und Liebe? Die war bei mir nicht angesagt. Aber irgendwie … Ich merkte, wie meine Ohren zu glühen anfingen. Passiert mir immer, wenn es um so was wie Liebe geht. Also doch? Na ja, ich wäre schon neugierig, was der in seiner Freizeit macht. Aber wieso stelle ich mir ausgerechnet vor, er sitzt Weihnachten in der Kirche?
    »Ich weigere mich schon mal«, machte Mella Schluss mit meinen peinlichen Tagträumen. »Und dann sollen wir wohl bald auch noch vorm Essen beten?«
    »Das würde mich freuen«, sagte Carsten.
    Ich saß wortlos da und staunte. Irgendwie spitzte sich da was zu. Ich konnte es meiner Mutter ansehen. In ihr arbeitete es mächtig. Aber irgendwas hielt sie auch zurück. Ich hätte gern gewusst, was. Ob das Liebe war? Richtige Liebe? Ich meine, mehr Liebe als rote Ohren und Tagträume von völlig unbekannten Typen?
    Carsten ist wirklich in Ordnung. Wirklich. Die spitzen Angriffe von Mella sind nicht gerecht. Ganz eindeutig. Unser Leben als neugebaute Familie ist gut. Und dass sich vieles ändert, kommt mir mit der Zeit schon fast normal vor. Schließlich ändert sich Maria auch jeden Tag. Das ist bei Babys wirklich krass, wie schnell das geht.
    Bei uns am Tisch war es immer noch still. Sehr still. Was hielt meine Mutter bloß zurück?
    »Ich habe Respekt vor deinem Mut«, sagte sie plötzlich. Ich horchte auf. Na klar, das ist es. Respekt vor seinem Mut. Carsten hat Mut. Ich konnte ihr innerlich zunicken. »Aber bitte, übertreibe es nicht«, sagte sie dann noch und klang dabei irgendwie müde und ratlos.
    »Es glaubt hier auch niemand an Horoskope.« Das war wieder Mella. Sie hatte auch Recht, aber irgendwie traf sie den Ton nicht richtig. Sie klang einfach nur zickig.
    Damit war das Thema erst einmal vom Tisch.
    Aber nicht lange. Es war ja auch kurz vor Weihnachten.

3
    Weihnachtsvorbereitungen nehmen mich immer total mit. Ich hab so eine Freude im Bauch und gleichzeitig Angst, dass ich vielleicht nichts von dem geschenkt kriege, was ich mir gewünscht habe. Weil meine Mutter zu Hause ist – Maria wird noch immer gestillt –, backt sie sogar mit mir Plätzchen. Und nicht nur die wie jedes Jahr, die sie blitzschnell durch den Fleischwolf presst. Dieses Jahr machen wir welche, die sind schwarz-weiß. Ich fresse mich am Teig satt, bis mir schlecht wird.
    Bei den Geschenken bin ich mal wieder supergeizig. Ich bastle was. Ich halte mein mickriges Taschengeld zusammen. Ja, Leute, ich weiß, das ist Mist. Und wenn ich dann sehe, wie Mella prasselvolle Einkaufstüten anschleppt, kriege ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe dieses Jahr alle gefragt, was sie haben wollen, und alle haben gesagt: Bastle doch was für mich
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