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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe
Autoren: Willi Faehrmann
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Tröge und schlug ihnen mit der flachen Hand leicht auf die Schnauzen, die sich anfühlten wie feuchte Lappen. Lotter, der braune Hengst, bekam Hafer mit Häcksel gemischt. Konrad rieb mit einem wolligen Lappen dem Vierjährigen das nasse Fell trocken und bürstete ihn.
    Die Tür knarrte. Vater schaltete das Licht ein.
    »Ich bin schon fertig, Vater.«
    »So. Ist das Pferd abgerieben?«
    »Ja. Vater, ich wollte noch von eben …«
    »Schon gut. Du bist der Älteste. Mit zwölf der Älteste. Merk dir das.«
    »Ja, Vater.«
    Vater tätschelte Lotter die samtweichen, grauen Nüstern.
    »Hast du die Artillerie gehört, Konrad?«
    »Ja, Vater. Erst dachte ich, es sei das Gewitter.«
    »Noch sind es die Unseren.«
    »Großvater meint, bald hören wir auch die Russen, Vater.«
    »Er mag wohl Recht behalten, Junge.«
    »Aber Brennschere …«
    »Du sollst das Wort nicht immer sagen, Junge. Was kann er für seine Haare? Olbrischt spricht, was er sich wünscht. Bald wird er seine braune Uniform wohl wegwerfen müssen. Hoffentlich kann er am Martinstag seine Leute noch auszahlen.«
    »So bald kommen die Russen?«
    »Wer weiß, Junge.«
    Sie gingen über den Hof. Der Regen hatte nachgelassen. Aus der Küche zog würziger Bratduft.
    »Es war ein sehr großer Fisch«, knurrte Vater und setzte sich auf den Stuhl neben den Herd. Doch dann reizten die Küchendünste seinen Husten, den er seit dem letzten Winter nicht mehr losgeworden war. Er hielt sich am Türpfosten und presste sein Taschentuch gegen den Mund.
    »Mach die Fenster weit auf, Junge«, befahl die Mutter.
    »Wie hast du das geschafft, Konrad?«, flüsterte ihm Albert zu. Doch der lächelte nur.
    Hedwig stellte die blau-weißen Teller und Tassen auf den Tisch. Die Tür öffnete sich. Großvater trat in die Küche. Er bückte sich nicht, als er hereinschritt, obwohl sein weißes Haar die Oberschwelle streifte. »Guten Abend«, sagte er und hängte den Stock an den Haken. Dicht hinter ihm kam Karl Olbrischt in den Raum. Das blanke Koppelschloss seiner Uniform blinkte im Abendlicht. Die Bienmanns begrüßten ihn.
    »Nun zum Essen, ihr alle«, drängte Vater.
    Er stand auf der Stirnseite des weiß gescheuerten Tisches, Großvater gegenüber. An seiner Seite saß die Mutter, schmal und klein. Hedwig war zu den Jungen auf die Bank gerutscht und hatte ihren Platz dem Gast geräumt. Großvater faltete die Hände und betete vor. »Amen«, schlossen alle und rückten die Stühle.
    Knusprig und braun lag auf dem großen Fleischteller der Fisch. Albert lief das Wasser im Mund zusammen. Alle lobten den fetten Bissen und wurden satt.
    Konrad hielt sich mehr an das Brot. Ein gebratener Fisch ist ein armseliger Fisch, dachte er, und das saftige Stück wurde ihm trocken im Mund.

3
    Die kleinen Kinder waren ins Bett gesteckt worden. Später stopften die Männer ihre Pfeifen. Eine Weile schwatzten sie vor der Tür. Konrad blieb bei ihnen. Aus der Küche klapperte das Spülgeschirr. Die Luft war angenehm kühl und frisch. Der Regen hatte sie sauber gewaschen.
    »Was ist mit dir, Karl?«, fragte der Großvater.
    »Ja, zehn Tage habe ich Urlaub, Großvater Lukas. Deswegen«, erklärte er und tippte mit dem Finger gegen seinen Ärmel. Dort war ein Schild aufgenäht, auf dem ein Panzer zu sehen war.
    »Und trotz Abschuss kein Eisernes Kreuz erster Klasse?«
    »Ich pfeife auf das Eiserne Kreuz«, antwortete Karl heftig.
    »Na, lass das nicht deinen Vater hören«, spottete Großvater.
    »Ich pfeife auf jeden Orden«, knurrte Karl.
    »Aber euer Hauptmann, der hat bei so tapferen Leuten doch sicher ein Kreuzchen bekommen, wie?«, neckte der Vater den jungen Soldaten, dem kaum der Bart über die Lippen wuchs.
    Karl brummte nur vor sich hin. Großvater wollte ihn reizen.
    »Na, was ist denn? Ich kenne dich ja gar nicht mehr wieder. Du warst doch so stolz, als du vor acht Monaten ins Feld rücktest.«
    Der alte Olbrischt war hinzugetreten und lehnte sich gegen den Baum. Seine weißen, gewellten Haare leuchteten im Mondlicht.
    »Hier steckt also unser Soldat«, sagte er.
    »Hör auf, Vater«, bat Karl.
    »Wieso? Warum willst du mir das Maul verbieten? Zwei Panzer abgeschossen aus nächster Entfernung? Wenn nur alle deutschen Soldaten so rangingen. Dann sähe es anders aus in Russland.«
    »In Polen, meinst du wohl«, berichtigte der Großvater.
    Olbrischt stellte sich breitbeinig vor die Bank. Sein Körper, klein, untersetzt, zeichnete sich wie ein grober Scherenschnitt vor dem Nachthimmel ab. »Polen
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