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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat
Autoren: Suzanne Forster
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Mattie ihre Position, während sie durch die Akten blätterte. Sie musste in diesem Karton die Akte zu einem Fall finden, an den sie sich noch aus ihren Anwaltstagen erinnerte.
    Wie viele Assistenten sprachen in der Anwesenheit einer Richterin des Bundesberufungsgerichts von Slips? Auch wenn nur im Flüsterton? Nur Jaydee Sanchez. Hätte ein anderer Angestellter das versucht, Mattie hätte ihn wahrscheinlich sofort gefeuert. Aber James Dean Sanchez war nicht irgendein Mitarbeiter. Und sie war nicht irgendeine Richterin.
    Er ließ die Morgenzeitung auf ihren Schreibtisch fallen. Das Klatschen des Papiers auf dem polierten Mahagoniholz bescherte ihm einen gemurmelten Dank von Mattie. "Du hättest große Chancen in der Filmbranche, Jaydee, wenn du kein Anwalt wärest."
    "Ich habe meine Zulassung noch nicht", erinnerte er sie, "und ich habe eine Karriere beim Film noch nicht ausgeschlossen. Es ist würdevoller als die Arbeit mit Gesetzen, und es wird bestimmt besser bezahlt. Aber, herrje, schließlich habe ich mich für einen Sitz am Obersten Gerichtshof entschieden."
    Mattie drehte sich um und blickte in seine unbewegte Miene. "Du hast es in Erwägung gezogen? Film?"
    "Ich habe auch darüber nachgedacht, als Model zu arbeiten", sagte er, als würde das alles erklären.
    Um den Schmerz in ihrem unteren Rücken zu vertreiben, richtete Mattie sich auf. Entweder hatte sie sich zu lange in gebeugter Haltung befunden, oder ihre achtunddreißig Jahre machten sich bemerkbar. Sie rieb sich über die schmerzende Stelle.
    Ihr Stirnrunzeln verhieß Jaydee, den Mund zu halten, obwohl Mattie keine Ahnung hatte, was er sagen wollte. Wenn er sich mit irgendetwas beschäftigte, dann war es nicht ihr Alter oder ihre Gebrechen. Meistens beschwerte er sich über die Auswahl ihrer Kleidung. Zu viel Khaki.
    "Wenn ich mich recht entsinne, wolltest du dir meine schusssichere Weste für ein Casting leihen", sagte sie in Erinnerung an seinen Umweg in die Modeszene der Bay Area. Es hatte Mattie überrascht, denn Jaydee war bekannt für sein konservatives Outfit.
    "Ich wollte nur sehen, wie du sie ausziehst."
    Ein Grinsen vertiefte seine zimtfarbenen Grübchen. Er drückte die Plastikhaube auf seinen großen Pappbecher Kaffee und nahm einen Schluck von dem dampfenden Getränk. Seine dunklen Wimpern flatterten amüsiert.
    "Du musst lockerer werden."
    Mattie hatte ihn immer um die Fähigkeit beneidet, sich spontan über etwas zu freuen. Jaydees Gabe nannte sie das. Aber heute machte ihr das schlechte Laune. In der vergangenen Nacht hatte sie kaum Schlaf gefunden, der Fall von Kindesentführung, der vor ihr lag, hatte Mattie wach gehalten. Sie verhandelte normalerweise keine Kriminalfälle auf Bezirksebene. Vor drei Jahren war sie im Berufungsgericht eingesetzt worden, wo die Fälle unter der Leitung von drei Richtern verhandelt wurden. Wegen einiger Krankheitsausfälle war sie aber kürzlich als zeitweise Vertretung an das Bezirksgericht gerufen worden.
    Dieser spezielle Fall entwickelte sich von Anfang an schwierig. Mattie musste zwischen ihrer Kammer am Neunten Gericht und der anderen im Bezirksgericht pendeln, was ihr den Zugriff auf Bibliothek und Archivmaterial erschwerte. Darüber hinaus bestürzten sie die Missbrauchsfälle aus persönlichen Gründen. Anfangs hatte Mattie sich deshalb gefragt, ob sie überhaupt gerecht und unbefangen urteilen könnte. Jetzt machte sie sich Sorgen, dass sie in ihrem Versuch, fair zu sein, zu weit gegangen sei.
    Der einundzwanzigjährige Angeklagte hatte seinen sechs Jahre alten Bruder entführt, um ihn vor den Übergriffen des Vaters zu schützen, und ihn an einen sicheren Ort jenseits der kanadischen Grenze gebracht. Er hatte versprochen, so schnell wie möglich zurückzukehren. Aber das Haus wurde vom FBI gestürmt und der Junge heimgebracht.
    Die Vorgeschichte war umfangreich und kompliziert. Weil die Eltern wohlhabend genug waren und über gute politische Kontakte verfügten, war der Angeklagte in allen Versuchen gescheitert, seinen kleinen Bruder von zu Hause wegzubringen. Schließlich griff er aus lauter Verzweiflung seinen Vater an und wurde wegen Körperverletzung verurteilt. Als er nach neunzig Tagen aus der Haft entlassen wurde, hielt das Jugendamt ihn nicht länger für glaubwürdig. So blieb der Sechsjährige im Haus seiner Eltern, bis der Angeklagte ihn von dort entführte.
    Jetzt war das Kind in einer Pflegefamilie gut untergebracht, aber über das Schicksal von Ronald Langston, dem älteren
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