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Das Internat

Das Internat

Titel: Das Internat
Autoren: Suzanne Forster
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mit einer gerahmten Brille, die ihm vorn auf der Nase saß.
    "Sind Sie zu einem Urteil gekommen?"
    "Ja, Euer Ehren."
    "Bitte übergeben Sie das Urteil dem Gerichtsdiener."
    Mattie nahm den wachsamen Gesichtsausdruck des Angeklagten wahr. Sie spürte aus der Ferne, dass seine Nerven blank lagen. Aber sie mochte sich kaum vorstellen, wie es sein mochte, der Gnade der Männer und Frauen ausgeliefert zu sein, die als Geschworene fungierten. Mit etwas Glück würde sie es auch nie herausfinden müssen.
    Heute Morgen würde über sein Schicksal entschieden, und sein Lebensweg wäre mit ein paar Worten besiegelt. Sie hoffte, dass es die richtigen Worte sein würden. Aber als Richterin war sie gezwungen, ihre Gefühle und Ansichten für sich zu behalten. Das bedeutete, dass sie sich unter Kontrolle haben musste, egal, was sie empfand. Sie hatte ihr Bestes getan, um keinen Einfluss auf die Geschworenen auszuüben. Mattie hatte nur sichergestellt, dass sie das Gehörte verstanden und sich in ihrer Entscheidung von den Tatsachen und dem Gesetz leiten ließen. Sie hatte sich außerdem vergewissert, dass sie sich über die Konsequenzen ihrer Entscheidung im Klaren waren.
    Der Gerichtsdiener reichte Mattie das Urteil. Ihre Hände waren ruhig, aber ihr Herz schmerzte, als sie es las. Sie gab es dem Gerichtsdiener zurück. Als er auf die Geschworenen zuging, brachte sie die Worte heraus: "Mr. Foreman, bitte verlesen Sie das Urteil."
    Der Sprecher der Geschworenen räusperte sich. "Im Anklagepunkt der Entführung befinden wir, die Jury, den Angeklagten für schuldig. Im Anklagepunkt der Kindesbedrohung befinden wir den Angeklagten ebenfalls für schuldig."
    Mattie streckte die Hand nach dem Hammer aus, aber ihre Finger waren außerstande, nach ihm zu greifen. Sie fühlte sich, als hätte sie einen heftigen Schlag bekommen, der ihr Rückenmark so gewaltig erzittern ließ, dass es vielleicht nie wieder nachlassen würde. Diesen Ausgang hatte sie befürchtet, aber sie hatte doch nicht glauben wollen, dass dies wirklich passieren würde. Irgendwie musste sie sich zusammenreißen. Ihr Job war noch nicht beendet. Sie musste einen Termin für den Haftbeginn festsetzen und die Sitzung für beendet erklären. Aber was sie am meisten fürchtete, war die Notwendigkeit, Ronald Langston noch einmal anzusehen. Das konnte sie nicht ertragen. Sie konnte es nicht ertragen, in seinen Augen zu lesen, dass er sich wie ein verängstigtes Tier im Käfig fühlte.
    Mattie schaffte es noch nicht einmal, um den Schreibtisch herum zu ihrem Stuhl zu gehen. Sie ließ die Ledermappe und die Gerichtsakten direkt neben die nicht angerührte Zeitung fallen und registrierte kaum, dass sie keine Zeit für ihr morgendliches Ritual gehabt hatte. Sie las den
San Francisco Chronicle
normalerweise bei einer heißen Tasse Tee mit Honig – während Ronald Langston in seiner Zelle so etwas wie Haferschleim bekäme.
    Zieh deine Robe aus, ermahnte sie sich, aber sie kam nicht weiter als bis zum Reißverschluss. Die Tür hinter ihr öffnete sich, und Mattie stieß an den Schreibtisch, als sie sich umdrehte. Etwas fiel zu Boden, aber sie hatte keine Zeit, es aufzuheben.
    Jaydee schüttelte den Kopf, offenbar niedergeschlagen.
    "Sie mich nicht so an", sagte sie. "Sosehr ich mir auch gewünscht habe, dass Langston nicht ins Gefängnis muss, ich konnte doch diesen blöden Pflichtverteidiger nicht zu einem Fehler verleiten. Ich hatte einfach gehofft, dass er von selbst einen macht."
    "Richtig", erwiderte er und stieß einen schweren Seufzer aus. "Ich hätte das nie ansprechen sollen. Was machen wir jetzt?"
    Mattie hatte darüber schon nachgedacht. "Ich werde zwei der besten Anwälte, die ich kenne, damit beauftragen, in Berufung zu gehen. Sie werden mich dafür hassen, aber ich werde es trotzdem tun. Ich werde einen Brief schreiben, in dem all die Gründe stehen, die aus meiner Sicht eine faire Verhandlung verhindert haben, einschließlich meiner zweifelhaften Entscheidung, das falsche Geständnis als Beweis zuzulassen. Und natürlich wird er nur das Mindestmaß der Strafe bekommen."
    Jaydee klopfte auf seinen gelben Block. "Deine eigene zweifelhafte Entscheidung? Bist du sicher, dass du das tun willst? Das wird in deinem Lebenslauf nicht gut aussehen."
    "Was sollen sie tun? Mich meines Amtes entheben? Bundesrichter sind auf Lebenszeit ernannt." Mattie wusste, dass es sich nicht gut machen würde, aber was sollte sie tun? Ein einundzwanzigjähriger Mann hatte keine ordentliche
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