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Das Intercom-Komplott

Das Intercom-Komplott

Titel: Das Intercom-Komplott
Autoren: Eric Ambler
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hätten bei der Intercom- Affäre die meisten Federn lassen müssen und seien der einzige noch lebende Beteiligte. Mein lieber Herr Carter, andere wurden noch kräftiger gerupft, und direkt beteiligt waren Sie auch nicht. Das haben Sie sich nur eingebildet; in diesem Spiel standen Sie nur auf dem kleinen Teil des Eisbergs, der über der Wasseroberfläche sichtbar ist. Was Ihnen passiert ist, wissen Sie nicht; Sie glauben nur, es zu wissen. Es gibt zwei Möglichkeiten, Ihre Rolle in dieser Affäre zu beschreiben – als Zufallszeuge bei einem Banküberfall oder als Opfer eines Streichs, den Fremde Ihnen gespielt haben.
    Wahrscheinlich verstehen Sie nicht, was ich meine. Aber das macht nichts. Was Sie über die Intercom- Affäre wissen, ist tatsächlich nur ein kleiner Bruchteil der Geschichte. Sie wissen nur das, was Ihnen selbst zugestoßen ist. Sie wissen nicht, warum und wie alles genau geschah. Ich hingegen weiß, warum alles so kam, und allmählich beginne ich auch zu entdecken, wie es sich abspielte – aber nur, weil ich bereit bin, den notwendigen Ärger und ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen. Es gibt mehr als einen, der etwas zu sagen hat, mein lieber Herr Carter.
    Es überrascht mich nicht im geringsten, daß Sie von den Angeboten, die Sie für Ihre Geschichte erhielten, enttäuscht waren. Was mich hingegen verblüfft, ist, daß Sie in diesem späten Stadium überhaupt noch Angebote erhielten. Darum dachte ich auch, daß mein Honorarvorschlag (jawohl, ich gebe zu, daß das Wort ›Prämie‹ von meinem Rechtsanwalt vorgeschlagen wurde) für Ihre Mitarbeit annehmbar wäre. Ich stehe übrigens noch zu meinem Wort. Wenn Sie sich dazu entschließen können, werde ich wohl auch einen Weg finden, mich mit Ihren Bedingungen hinsichtlich der Verfasserschaft und der Bearbeitung schriftlich einverstanden zu erklären.
    Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wenn ich darauf hinweise, wie wenig Sie den gesamten Komplex überschauen konnten, will ich damit nicht versuchen, Ihre Rolle dabei zu schmälern. Ein Beitrag von Ihnen in Form eines Augenzeugenberichts wäre höchst wertvoll. Was freilich nicht heißen soll, daß er unbedingt notwendig ist. Sie dürfen nicht vergessen, daß ich schon jetzt mehr über die Intercom- Affäre weiß als Sie.
    Ich gebe gern zu, daß ich die Hintergründe der Ereignisse mehr zufällig als durch zielstrebige Recherchen erfuhr. Und es war auch ein Zufall, daß ich mich für die Affäre zu interessieren begann. Über einen Freund – er lebt in dem Land, in dem ich meinen Lebensabend verbringe – lernte ich jenen Mann kennen, den ich in meinem Buch ›Oberst Jost‹ nennen will. Der Oberst hat sich vor einiger Zeit in den Ruhestand versetzen lassen, was ihn allerdings schon jetzt ein wenig langweilt. Er hat gern Freunde um sich – und er erzählt gern. Und ganz besonders gern unterhielt er sich mit mir, weil ich ein paar Bücher geschrieben habe, die ihm gut gefielen. Kriminalromane sind seine Lieblingslektüre; sie bringen ihn zum Lachen.
    Es tut mir leid, daß Ihnen die Bezeichnung ›Rekonstruktion des Geschehens‹ nicht gefällt, aber vielleicht haben Sie trotzdem nichts dagegen einzuwenden, eine von ihnen zu lesen. Ich schrieb dieses Kapitel nach einer Unterhaltung mit Oberst Jost. Es hat den Titel ›Ein Spiel für zwei‹ und mag Ihnen eine Antwort auf die Frage geben, warum Ihnen gewisse Dinge zustießen. Es könnte Sie sogar dazu bringen, mein Angebot schließlich doch anzunehmen.
    Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
CHARLES LATIMER

KAPITEL 2
    EIN SPIEL FÜR ZWEI
     
    Der von Evian am französischen Seeufer kommende Dampfer hatte in Territet angelegt und nahm nun Kurs auf den Landungssteg, auf dem Oberst Jost wartete.
    Jost sah aufs Wasser hinab. Ein kühler Wind strich über den See; Wellen spülten über das Ufergeröll. Aber das interessierte Jost nicht im geringsten. Er stammte aus einem Land, dessen Küsten von den Stürmen der Nordsee zerzaust wurden, und diese Wellen erinnerten ihn höchstens an Badewannengeplätscher. Und dennoch wandte er seinen Blick nicht von ihnen ab. Es war besser, als dem herannahenden Dampfer erwartungsvoll entgegenzusehen, besser auch, als die anderen Wartenden auf dem Landungssteg zu beobachten. Fünf waren es: zwei Frauen mit prallen Einkaufsnetzen, ein etwas verwahrloster Mann mit einer Plastikmappe unter dem Arm und ein deutsches Touristenpaar. Harmlose Leute wahrscheinlich, überlegte er, aber sicher konnte man da nie sein. Und wenn man so
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