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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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Wunder, deine
Kleider sind ja ganz feucht. Lass mich eine Lampe entzünden.“
    „Nein, es
ist besser, das Zimmer im Dunkeln zu belassen. Wir wurden verfolgt und mussten
uns kurz vor dem Ort Santa Marinella trennen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich
meine Verfolger abschütteln konnte. Ich…“ Ein jäher Luftzug ließ beide
auffahren. Jemand hatte die Tür zu Emilias Zimmer geöffnet. Emanuele schob
Emilia sofort hinter sich.
    „Keine
Angst, ich bin es nur, Donna Elvira“, flüsterte eine Stimme. „Kommt mit. Wir
gehen am besten in die Küche. Dort brennt noch ein Feuer.“
    Sie stiegen
die steinerne Treppe zur Küche hinab. Sie befand sich im hinteren Teil des Hauses,
der halb in den Hang hineingebaut worden war. Mehrere in den Berg gegrabene
Vorratsstollen hielten im Sommer die Waren frisch und kühl.
    Emilia
erschrak sich fast zu Tode, als sie ihren Bruder im Schein des Feuers
erblickte. „Mein Gott, du bist ja schwer verletzt!“, rief sie bestürzt. Sein
Hemd war blutdurchtränkt.
    „Es sieht
schlimmer aus, als es ist, ehrlich. Ein glatter Durchschuss“, erwiderte
Emanuele. Sein von Schmerz verzerrtes Gesicht strafte seine Tapferkeit Lügen.
Donna Elvira hatte ihn bereits auf die Küchenbank gedrückt und schnitt sein Hemd
auf. Emanuele trug einfache Reisekleidung.
    „Emilia,
schnell! Steh´ nicht rum, sondern hol saubere Küchentücher und tauche sie in
das heiße Wasser über der Feuerstelle.“
    Zehn Minuten
später saß Emanuele verbunden und mit frischen Kleidern versehen zwischen ihnen
auf der Bank. Mit geschlossenen Augen umklammerte er einen heißen Becher Wein. Sein
Gesicht wirkte schon weniger blass, aber erschreckend erschöpft.
    „Was in
Gottes Namen ist geschehen? Wer hat auf dich geschossen?“ Emilia konnte ihre
Fragen nicht länger zurückhalten. Ihr Bruder öffnete ein Auge und lächelte
schwach. „Wer auf mich geschossen hat, weiß ich nicht, aber warum. Es ist
geschehen. Unsere Feinde haben gesiegt. Pater General Ricci wurde vor Papst Clemens
XIV. zitiert und erneut mit dem Vorwurf konfrontiert, die heiligste Reliquie
der Christenheit gestohlen zu haben. Es ist absolut lächerlich, aber der anwesende
Großinquisitor Stoppani warf Ricci sogar vor, dass er das Jesus-Evangelium für
eigene Zwecke missbrauchen wolle, um selbst die Macht im Kirchenstaat zu
ergreifen. Unglücklicherweise traf Pater Baptista mit dem Original des Jesus-Evangeliums
erst ein, als Ricci bereits vom Papst zurückkehrte. Nach Stoppanis denkwürdigem
Auftritt hat unser Pater General beschlossen, das Geheimnis des Evangeliums weiter
zu bewahren, bevor es einem solchen Mann in die Hände fällt. Er befürchtet
nicht zu Unrecht, dass Stoppani es vernichten könnte. Diesen Frevel will er
nicht verantworten. Aber, um deine Frage zu beantworten: Offenbar verdächtigte
man mich weiter, als Bote tätig zu sein. In Rom konnte ich keinen unbeobachteten
Schritt tun, wobei die Männer sich keinerlei Mühe gegeben haben, mir ihre
Präsenz zu verheimlichen. Es war wie eine stille Warnung und wir mussten
allerlei Finten anwenden, um bis hierher zu gelangen.“
    „Du Armer“,
sagte Emilia gefühlvoll und lehnte sich an seine gesunde Schulter. Dann zuckte
ihr Kopf hoch, als hätte sie einen Schlag erhalten. Emanuele hatte etwas
gesagt, das ihr das Blut schneller durch die Adern trieb: „Wir? Wen meinst du
mit wir …?“ Sie wagte es nicht, ihre Hoffnung laut auszusprechen.
    Emanuele
wandte leicht den Kopf und lächelte sie geradezu spitzbübisch an. „Nun,
Francesco und ich, natürlich“
    „Du hast
Francesco gefunden?“ Emilia klammerte sich an seinen Arm.
    „Selbstverständlich.
Hattest du etwa daran gezweifelt?“
    „Aber wo ist
er?“, rief sie atemlos.
    „Das sagte
ich doch schon. Wir mussten uns ungefähr sieben Meilen vor Civitavecchia
trennen, um unsere Verfolger in die Irre zu leiten. Ich habe mit Francesco vereinbart,
dass es sicherer ist, wenn wir uns erst wieder bei Sonnenaufgang am Hafen
treffen. Solange hält er sich dort in einem Kontor seines Vaters versteckt.“
    „Weiß er,
dass ich lebe?“ Ihre Stimme versagte ihr beinahe vor Aufregung.
    „Natürlich
weiß er das. Warum glaubst du wohl, ist er mit mir gekommen?“
    „Er ist
gekommen“, wiederholte Emilia langsam. In ihren Augen tanzten Sterne.
    „Du solltest
dich langsam bereit machen“, unterbrach Donna Elvira Emilias Träumereien. Doch
sie lächelte dabei. Und zu Emanuele: „Hier, mein Lieber, Fleischbrühe. Iss,
damit du wieder zu Kräften
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