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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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hatte sich ein ansehnliches Arsenal an Lumpen unter den Arm
geklemmt. Ohne ein Wort machte er sich daran, die Bescherung zu beseitigen. In
seinen Mundwinkeln kauerte jedoch ein Lächeln. Er hatte seine Arbeit kaum
beendet, als aufgeregte Stimmen vor ihrer Tür laut wurden. Sie riss die Tür auf
und die Kapitänskajüte wurde von zwei johlenden Kindern und drei tobenden
Hunden geentert. Ihnen folgten lächelnd Serafina, Donna Elvira, Filomena und
Emanuele nach. Über die Köpfe der Kinder hinweg trafen sich ihre Augen mit
denen ihres Zwillingsbruders. Dunkle Ringe beschatteten seine Augen und er schüttelte
kaum merklich den Kopf. Emilias Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Was
war geschehen? Hatte Francesco es sich doch noch anders überlegt? Würde er doch
nicht kommen, um sich von ihr zu verabschieden? Triumphierte Beatrice selbst noch
aus dem Grab heraus über sie? Sie brannte darauf, mit ihrem Bruder alleine zu
sprechen. Die drei Frauen tauschten einen Blick, schnappten sich die Kinder und
scheuchten sie in die Kabine nebenan. Die beiden Kleinen würden dort mit Donna
Elvira während der Überfahrt Logis beziehen. Serafina würde die Kapitänskajüte mit
Emilia teilen. Flüchtig nahm Emilia auch die Anwesenheit von Donatus wahr, der
sich nun ebenfalls in den Gang zurückzog. Die Geschwister waren allein. Kraftlos
sank Emilia auf die Koje. Würde ihr Herz denn niemals Frieden finden? Wie
konnte sie abreisen, ohne wenigstens von ihrer Liebe Abschied genommen zu
haben? Emanuele setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. „Sei nicht
traurig. Ich weiß, dass er dich liebt, denn er hat es mir in Viterbo selbst
gestanden. Ich möchte dich nicht unnötig beunruhigen, aber ich befürchte, dass
unser Freund verhaftet worden ist.“ Emilia erbleichte noch mehr und schloss die
Augen. Lautlos formten ihre Lippen Francescos Namen.
    „Das hört
sich schlimm an, ist es aber nicht, Emilia. Vergiss nicht, er ist ein Colonna.
Seine Familie verfügt über genügend Einfluss, um ihn aus jeder Lage zu
befreien. Ich finde heraus, was geschehen ist und werde dir schreiben.“
    „Es wird
Zeit. Die Winde stehen günstig. Ihr müsst von Bord.“ Von ihnen unbemerkt hatte
Kapitän Morales die Kajüte betreten. Hinter ihm zeichnete sich die schmale
Gestalt Filomenas ab.
    Emilia
übergab Emanuele den Brief für ihren Vater. Noch einmal nahmen die Geschwister
sich in den Arm und schworen sich gegenseitig unter Tränen, sich jede Woche zu
schreiben. Emilia klammerte sich an ihren Bruder, wie damals in Santo Stefano,
als er nach Rom gegangen war. Doch nach Rom war es ein Ritt von wenigen Tagen
gewesen; von nun an würden Tausende von Seemeilen zwischen den Geschwistern
liegen. Emilia beschwor ihn ein letztes Mal bei ihr zu bleiben und mit ihr
zusammen nach Amerika zu reisen.
    „Und wer
soll dir dann von Francesco berichten, du Dummes?“, lächelte er zärtlich auf
sie herab. „Wir sollten auch an unseren alten Vater denken. Wer soll ihm alles
erklären, außer mir? Verzage nicht, kleine Schwester, und vertraue auf Gott.
Dies ist kein Abschied für immer. Wir werden uns in diesem Leben wiedersehen.“
Hinter ihnen gab Kapitän Morales einen rauen Unmutslaut von sich, der deutlich
ausdrückte, was er von der häuslichen Szene hielt. Eine letzte Umarmung, dann
waren Emanuele und Filomena fort. Wie betäubt blieb Emilia zurück. Mit Emanuele
verließ sie die letzte Verbindung zu Francesco. Die Ungewissheit, was ihm
zugestoßen sein könnte, peinigte sie. Sie würde so lange keine Ruhe mehr
finden, bis sie den ersten Brief Emanueles in Händen halten würde. Als Adresse
hatten sie ein Hafenkontor in Philadelphia vereinbart, das ursprünglich noch
aus Sergejs Besitz stammte. Sie trat zu dem Bullauge. Ein Ruderboot, verbunden
mit einem Fallreep, schaukelte sachte auf den Wellen. Zwei Matrosen saßen darin
und vertrieben sich die Zeit mit Zoten. Ihr fröhliches Lachen klang wie Folter
in Emilias Ohren.
    Dann tauchte
Filomena auf der Hängeleiter auf, gefolgt von Emanuele. Sie bestiegen das Boot,
das sie zurück an Land bringen würde. Emanueles Augen glitten suchend die
Bordwand entlang und erkannten den kleinen fahlen Fleck hinter dem Bullauge.
Ein letztes Mal winkte Emilia ihrem Bruder zu, dann setzte sich das kleine Boot
in Bewegung.
    Gleich
darauf setzte sich die Winde in Bewegung und der Anker glitt nach oben, die
Segel wurden ausgefahren und blähten sich unternehmungslustig im Wind. Kapitän
Morales bellte einige Befehle, die der
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