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Das Herz kennt die Wahrheit

Das Herz kennt die Wahrheit

Titel: Das Herz kennt die Wahrheit
Autoren: Ruth Langan
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sich darum gekümmert, dass er mit dem Rest der Mannschaft in einem Boot Platz fand. Aber Gray weigerte sich, das Schiff zu verlassen, bevor nicht alle anderen in Sicherheit waren. Sie sahen ihn von Flammen eingeschlossen, als die 'Carrington' sank."
    "Sie?" Ihre Augen verengten sich. "Wer sind die, die so üble Geschichten erzählen?"
    "Grays Matrosen, mein Mädchen. Nur drei haben es geschafft. Die übrigen hat die See verschluckt, auch den Kapitän und diejenigen, die mit ihm in dem Boot saßen."
    "Nein", brachte sie scharf hervor. "Gray ist ein guter Schwimmer." Zustimmung heischend sah sie die anderen an. "Nichts hätte ihn aufhalten können, die Küste zu erreichen. Nichts. Nicht einmal ein Feuer."
    "Mädchen …"
    "Nein, Newt." Darcy stieß sich vom Tisch ab. "Ich würde es wissen, in meinem Herzen." Sie starrte ihren Großvater an, dann ihre ältere Schwester, um zu sehen, ob man sie verstand. "Ich hätte den Schmerz verspürt, wenn er ertrunken wäre. Ich hätte selbst aufgehört zu atmen."
    "Darcy …" Ambrosia war im Begriff, sich zu erheben, doch ihre Schwester schüttelte heftig den Kopf.
    "Er ist nicht tot. Ich werde das nicht hinnehmen. Das kann ich nicht." Ihre Augen huschten ängstlich von einem zum anderen, wie bei einem Tier, das in der Falle saß. "Gray hat überlebt. Ich weiß, dass er lebt. Es muss so sein."
    "Aber Mädchen …"
    Sie hob eine Hand, um Newton am Sprechen zu hindern. "Es kümmert mich nicht, was andere dir erzählt haben. Wie kann ich noch am Leben sein, wenn Gray tot ist? Verstehst du nicht? Es ist unmöglich für mich, ohne ihn zu leben. Wir sind … eins. Wir waren immer schon eins. Wir haben ein Herz. Dieselbe Seele. Denselben Geist."
    "Du magst so denken, mein Mädchen. Aber tatsächlich seid ihr zwei getrennte Lebewesen. Und wie schmerzvoll es auch immer sein wird, es ist möglich, ohne Gray zu leben."
    "Nein. Halt ein, Newt. Es ist nicht möglich. Gray lebt, ich sage es dir."
    Sie floh aus dem Zimmer, während die anderen ihr hilflos nachschauten.
     
    Darcy vergoss keine Tränen und würde es auch in Zukunft nicht tun. Sie ließ es einfach nicht zu. Wenn sie den Tränen freien Lauf gewährte und sich dem Schmerz hingäbe, würde sie sich eingestehen, dass ihr geliebter Gray tot war. Und das wollte sie um keinen Preis.
    Stattdessen kehrte sie auf den großen Söller zurück, schritt auf und ab und sah hinaus auf die See, um zu warten. Er würde wiederkommen. Vor ihrem geistigen Auge konnte sie die hohen Masten, die leuchtenden Segel und das kleine Boot sehen, das die Mannschaft an Land brachte. Und sie stellte sich Gray vor, wie er über den Strand schritt und wie sein wundervolles Lächeln das hübsche, markante Gesicht erstrahlen ließ, wenn er sie in die kraftvollen Arme schloss und sich mit ihr im Kreise drehte.
    Bei dieser Vorstellung schloss sie die Augen und lächelte.
    Sie liebte ihn, hatte ihn immer geliebt. Und stets hatte sie gleichsam mit einem sechsten Sinn gespürt, dass sie ihr Leben gemeinsam verbringen würden. Sie war nur für ihn allein geboren worden. Und wenn er aus dem Leben geschieden wäre, hätte sie es irgendwie gewusst. Sie hätte gespürt, wenn seine Seele an ihrer vorbeigeschwebt wäre.
    Als die Dunkelheit sich wie eine Decke über das Wasser legte, frischte der Wind auf. Erst dann hörte sie es. Ein leises Stöhnen, das ein Prickeln in ihrem Nacken auslöste.
    Newton hatte ihr immer erzählt, die See sei eine Frau. Eine Frau, die den Matrosen etwas zurief und viele von ihnen dazu brachte, ihr Leben für sie aufs Spiel zu setzen. Aber das, was sie jetzt vernahm, war die leise, gequälte Stimme eines Mannes, der offenbar Schmerzen litt.
    Sie hielt sich die Ohren zu und sank schluchzend auf die Knie. "O Gray. Bitte, Gray. Nein, ich kann es nicht ertragen. Du musst aufhören, bevor du mir mein armes Herz brichst."
    Doch die Klagelaute wollten nicht aufhören, rissen an ihrem Herzen und versengten ihren Geist und ihre Seele. Erschüttert sackte sie an dem Geländer zusammen und verlor die Besinnung.
     
    Es war Newton, der Darcy fand und die breite Treppe hinunter in den Salon brachte.
    "O gütiger Himmel." Miss Mellon erblickte die reglose, blasse Frau und deutete auf die Chaiselongue. "Bring sie hierher, Newt."
    "Ja." Äußerst behutsam legte der alte Mann seine Last ab, als ob er Angst hätte, Darcy könne wie Kristallglas zerbrechen.
    "Geoffrey", rief die alte Frau. "Wir benötigen etwas von dem Whisky."
    "Das denke ich auch." Captain Lambert
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