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Das Herz kennt die Wahrheit

Das Herz kennt die Wahrheit

Titel: Das Herz kennt die Wahrheit
Autoren: Ruth Langan
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all der endlosen Gebete, Lesungen und Kirchenlieder, die ihr Herz rührten, blickte sie starr geradeaus und weigerte sich, zu denjenigen hinüberzuschauen, die Tränen vergossen. Denn wenn sie es täte, würde sie sich dem Mitleid öffnen und dem Kummer, der schließlich einen wahren Sturzbach aus Tränen bei ihr auslösen könnte.
    Der Trauer der Kirchengemeinde wollte sie sich nicht anschließen. Sie konnte es nicht. Und so saß sie in der Bank, hielt die Hände auf ihrem Schoß zu Fäusten verkrampft und richtete die starren, trockenen Augen in die Ferne.
    Sie hatte sich nach innen gekehrt. Dort lag ihre Stärke, ihre Rettung, sich dieser trauernden Menge zu widersetzen. Sie sah sich allein auf einer Klippe stehen und auf die schäumende See hinabblicken. Das Meer konnte ihr nichts anhaben, vermochte ihr kein Leid zuzufügen. Und bald, wenn die See ihre Kraft erkannte, würde sie den Mann wieder freigeben, den sie ihr hatte wegnehmen wollen.
    Als der ermüdende Gottesdienst schließlich zu Ende war, seufzte Darcy erleichtert und folgte ihren Schwestern durch den Mittelgang.
    Sie erschrak, da jemand hastig ihre Hand ergriff und eine hohe Stimme an ihre Ohren drang.
    "O Darcy. Ich wollte es nicht glauben, als ich erfuhr, dass Gray einer derjenigen ist, die ihr Leben an Bord der 'Carrington' lassen mussten." Edwina Cannon stand vor ihr und schlang die Arme fest um sie, obwohl Darcy sich der aufdringlichen Frau entziehen wollte. "Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst."
    Die junge Frau sah mit Befriedigung, dass mehrere Leute stehen geblieben waren und in ihre Richtung schauten. Da sie es stets genoss, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, fuhr Edwina mit einer noch lauteren und höheren Stimme fort: "Mir erging es genauso, als ich meinen geliebten Silas verlor. Er war noch so jung. Wie dein Gray. Ich war am Boden zerstört." Sie stieß einen übertriebenen Seufzer aus. "Aber nach einiger Zeit gelang es mir, mich zusammenzunehmen. Auch du wirst es schaffen."
    Darcy löste sich aus Edwinas Armen und fühlte, dass ihr Gesicht brannte, als sie merkte, wie viele Leute sie anstarrten. "Hab Dank, Edwina. Jetzt muss ich wirklich gehen."
    "Nein." Edwinas Fingernägel bohrten sich in Darcys Haut, während sie ihr Handgelenk umklammerte. "Diese guten Menschen sind gekommen, um ihr Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen." Sie drehte sich um und schenkte den Leuten, die zuhörten, ein verhaltenes Lächeln. Kein Zweifel, sie kostete ihre Rolle als Trauernde wahrlich aus. "Allein der Anstand gebietet, dass man etwas verweilt, um die Beileidsbezeigungen all derer entgegenzunehmen, die Gray kannten und liebten."
    In Darcys Augen lag ein wildes Funkeln – ein sicheres Anzeichen dafür, dass sie sich nicht länger beherrschen konnte. Ihre Schwestern hatten dies bemerkt und stellten sich rasch zwischen Darcy und die junge, taktlose Frau.
    Bethany biss die Zähne zusammen, doch sie rang sich ein dünnes Lächeln ab. "Danke für deine Anteilnahme, Edwina. Aber wir müssen jetzt wirklich gehen."
    "Aber ich …"
    Die schrille Stimme verstummte, als Bethany einen Arm um Edwinas Schultern legte und die aufdringliche Frau in eine Kirchenbank zog. Im selben Augenblick ergriff Ambrosia Darcys Hand und führte sie inmitten der anderen Gemeindemitglieder zum Portal der Kirche.
    "Hier entlang, mein Mädchen." Geoffrey erkannte die angespannte Lage und deutete auf einen Seitenausgang.
    Wenige Minuten später waren sie unbemerkt aus der Tür geschlüpft. Unmittelbar vor den Treppenstufen wartete Newton schon mit der Kutsche. Als alle eingestiegen waren, knallte er mit der Peitsche, und das Pferdegespann fiel in einen leichten Trab.
    Ambrosia und Bethany drehten sich um und sahen, dass Edwina Cannon und ihre Mutter, umringt von zahllosen Dorfbewohnern, gerade ins Freie traten.
    "Seht sie euch an", meinte Bethany. "Wie ich Edwina kenne, wird sie die Menge bestimmt noch eine Stunde lang mit ihrem eigenen schmerzhaften Verlust in ihren Bann schlagen."
    "Ja", pflichtete Ambrosia ihrer Schwester bei. "Was für eine dumme Gans sie doch ist! Gerade tat sie so, als habe sie einen geliebten Menschen verloren. Hat sie denn ganz vergessen, was für ein niederträchtiger Schurke dieser Silas Fenwick gewesen ist?"
    "Da hast du Recht", schaltete sich Mistress Coffey empört ein, die sich sonst immer mit einem Urteil zurückhielt. "Immerhin hat dieser Lord Fenwick dir und deinem Riordan nach dem Leben getrachtet und obendrein ein Komplott gegen den König geschmiedet.
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