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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kräfte, die aus dem Umland anrückten, wussten nicht so recht, wo sie anpacken sollten. Es gab niemand, der die verschiedenen Gruppen koordinierte. Mit dem Rathaus war auch die letzte Zentrale, in der Nachrichten zusammenliefen und Befehle ausgegeben wurden, in Schutt und Asche versunken.
    András nahm sich nicht die Zeit, die traurigen Überreste anzusehen. Es gab Wichtigeres. Er musste sie finden! Schnell! Jede Sekunde war kostbar. Unerbittlich folgte er der Spur seiner Rappen und hoffte, dass er sich nicht in die Irre leiten ließ. Was, wenn Karoline und Sophie gar nicht in der Kutsche waren? Doch wohin konnten sie sonst verschwunden sein, ohne eine Fährte zurückzulassen?
    Er machte sich Vorwürfe, sie allein gelassen zu haben. Dabei war er nicht lange fortgeblieben. Hoffnungsfroh hatte er sich auf den Rückweg gemacht. Ja, ein großer Teil der Stadt versank in diesem Inferno, doch noch schienen die Häuser am Westufer der Binnenalster sicher zu sein. Sie mussten nicht fliehen, selbst wenn es ratsam wäre, den Brand im Auge zu behalten.
    Er stutzte, als er um die Ecke bog und die Kutsche nicht entdecken konnte. Hatte Karoline sie in den Hof zurückgebracht, oder war sie gar ohne ihn aufgebrochen? Das sah ihr nicht ähnlich. Da stimmte etwas ganz und gar nicht. András stürzte die Stufen hinauf und durch die offene Haustür, als der Geruch ihn wie ein Keulenschlag traf. Ileana!
    Es war ihr also tatsächlich gelungen, sie in Hamburg aufzuspüren. András hielt sich nicht lange im Haus auf. Ihm wurde schnell klar, dass niemand mehr da war. Er verschloss die Haustür und überlegte. War es ihnen gelungen, vor Ileana zu fliehen? Hatte Sophie die Gefahr rechtzeitig gespürt, und Karoline war nun mit ihr auf der Flucht?
    Ein Hoffnungsschimmer keimte auf. András prüfte die Spuren auf der Straße. Er musste der Fährte der Rappen folgen. Wohin war die Kutsche gefahren?
    Als ihm klar wurde, dass die Rösser den direkten Weg auf das Inferno zu gewählt hatten, verlosch die Hoffnung. Nein, das konnte nur bedeuten, Ileana hatte die beiden in ihre Gewalt gebracht. András stand mitten auf der Straße und sah auf die brennende Stadt vor ihm, in deren Gassengewirr sich die Spur zu verlieren schien.
    Was bezweckte Ileana? Warum fuhr sie direkt ins Feuer? Um den Köder für ihn auszulegen? Ja, so würde sie es machen. Und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihn zu schlucken. András setzte seinen Weg fort.
    Wieder einmal hatte er Ileana unterschätzt. Würde es ihr doch noch gelingen, ihren Racheplan zu Ende zu führen? Daran durfte er nicht denken. Er musste sich auf die Fährte konzentrieren, was nicht einfach war. Der durchdringende Brandgeruch, die Hitze, die sein Haar sich kräuseln ließ, und vor allem die vielen Menschen und Tiere, die die Straßen in beide Richtungen passierten, verursachten ein undurchdringliches Gemisch an Gerüchen. Immer wieder musste er stehen bleiben und prüfen, welche Richtung die Kutsche wohl genommen haben konnte.
    Dann war sein Weg zu Ende. Die Spur führte in diese Gasse hinein, daran zweifelte er nicht. Nun allerdings war hier kein Durchkommen mehr. Die noch schwelenden Reste eines Hauses versperrten ihm den Weg. András überlegte, ob er es wagen konnte, über die ausgekohlten Balken zu klettern. Als wollten sie ihm drohen, ließ ein Windstoß sie rot aufglühen. Die Hitze über den Trümmern war noch unerträglich. Nein, hier würde er sich mehr als nur ein paar Brandblasen holen, und er brauchte alle seine Kräfte für den Kampf mit Ileana. András versuchte einen anderen Weg, um die Witterung hinter dem eingestürzten Haus wieder aufzunehmen, doch wie er es auch versuchte, die Flammen richteten sich drohend vor ihm auf und verwehrten ihm den Durchgang.
    Wo um alles in der Welt hatte Ileana ihre Geiseln hingebracht? Dort hinter dem Feuerwall schien nichts mehr überleben zu können.
    Wieder musste er umkehren und einen Bogen bis an die Alster schlagen, um sich dann von Norden her anzunähern. Was war das? Bewegte sich dort vorn nicht etwas? Ja, vor dem Feuerschein an der Börse konnte er einige Gestalten ausmachen. Sie schienen von allen Seiten eingeschlossen. András sah sich um und erklomm dann rasch ein Haus in der Nähe. Wenn er sich an dieser Wand entlanghangelte, konnte er vielleicht den Feuerkreis durchbrechen und zu ihnen gelangen. András stürmte in eines der verlassenen Häuser und rannte die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Er durchbrach die Tür mit einem Fußtritt und
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