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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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hat …«
       Doudou grinste höhnisch:
       »Wonach suchst du? Ein Fall, der einen in den Tod treibt?«
       In seinem Suff hatte er das passende Wort gefunden. Wenn ich zu dem Schluss gelangen müsste, dass Luc Selbstmord begangen hat, wäre dies eine meiner Hypothesen: Ein Ermittlungsverfahren, das ihn in tiefste, ausweglose Verzweiflung stürzte. Ein Fall, der seinen katholischen Glauben erschütterte. Ich bohrte nach:
       »Woran habt ihr, verdammt nochmal, gearbeitet?«
       Doudou verfolgte mich aus den Augenwinkeln, während ich weiter vor ihm zurückwich. Statt zu antworten, rülpste er laut. Ich grinste nun auch:
       »Spiel dich ruhig auf. Morgen werden dich die Typen von der Internen durch die Mangel drehen.«
       »Die können mich mal!«
       Er schlug mit der Faust auf den Computer. Sein Gliederarmband funkelte golden. Er schrie:
       »Luc hat sich nichts vorzuwerfen, kapiert? Wir haben uns nichts vorzuwerfen! Verdammt!«
       Ich kehrte um und schaltete vorsichtig den Computer aus.
       »Wenn das so ist«, sagte ich leise, »solltest du deine Einstellung ändern.«
       »Jetzt schwafelst du wie ’n Anwalt.«
       Ich pflanzte mich vor ihm auf. Ich hatte seine verächtliche Art satt:
       »Hör gut zu, Schwachkopf, Luc ist mein bester Kumpel, okay? Also stier mich nicht an wie ein Ochse. Ich werde herausfinden, weshalb er das getan hat. Und du wirst mich nicht daran hindern.«
       Mit diesen Worten strebte ich der Tür zu. Als ich den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, zischte Doudou in meinem Rücken:
       »Niemand wird singen, Durey. Aber wenn du in der Scheiße stocherst, wirst du uns alle in den Schmutz ziehen.«
       »Wie wär’s dann, wenn du mir ein bisschen mehr erzählen würdest?«, versetzte ich.
       Statt zu antworten, zeigte er mir nur einen starr nach oben gerichteten Mittelfinger.

KAPITEL 4
    Unter freiem Himmel.
       Eine Treppe unter freiem Himmel. Als ich die Wohnung zum ersten Mal besichtigt hatte, wusste ich sofort, dass ich sie genau deswegen nehmen würde. Mit Terrakottafliesen belegte Stufen einer Wendeltreppe mit einem efeuumrankten Eisengeländer in einem Innenhof aus dem 18. Jahrhundert. Auf Anhieb fühlte ich mich hier wohl. Ich stellte mir vor, wie ich von der Arbeit nach Hause kam und alle Sorgen des Alltags auf der Treppe von mir abfielen.
       Ich hatte mich nicht getäuscht. Ich hatte mein Erbe in diese Drei-Zimmer-Wohnung im Marais investiert, und seit vier Jahren spürte ich tagtäglich die magische Wirkung der Treppe. Auch wenn die Arbeit nervenaufreibend und zermürbend war, hatte ich das Gefühl, auf der Wendeltreppe eine Art Entgiftungsschleuse zu passieren. Gleich hinter der Wohnungstür entkleidete ich mich, stopfte meine Klamotten in einen Wäschesack und stieg unter die Dusche.
       An diesem Abend aber schien die Treppe ihre Macht verloren zu haben. Als ich im dritten Stock ankam, blieb ich stehen. Ein Schatten saß auf der Treppe und wartete auf mich. Im Zwielicht erkannte ich den Wildledermantel, das violette Kostüm. Es war die Person, die ich am allerwenigsten sehen wollte: meine Mutter.
       Während ich oben ankam, machte mir eine heisere Stimme erste Vorwürfe:
       »Ich habe dir auf den Anrufbeantworter gesprochen, und trotzdem hast du nicht zurückgerufen.«
       »Ich hatte heute viel zu tun.«
       Es bestand kein Anlass, ihr von dem Vorfall zu erzählen, denn meine Mutter war Luc nur ein- oder zweimal begegnet, als wir noch Halbwüchsige waren. Sie hatte nichts gesagt, aber ihr Gesichtsausdruck hatte Bände gesprochen – das gleiche Gesicht hatte sie gezogen, wenn sie eine Familie mit lärmenden Kindern in der Erste-Klasse-Lounge am Flughafen Roissy oder einen Fleck auf einem ihrer Sofas entdeckte: Es waren die störenden Misstöne, die sie nicht aus ihrem mondänen Leben verbannen konnte.
       Sie machte keine Anstalten aufzustehen. Ich setzte mich neben sie, ohne mir die Mühe zu machen, die Flurbeleuchtung einzuschalten. Wir waren vor Wind und Regen geschützt, und für einen 21. Oktober war es recht mild.
       »Was willst du? Etwas Dringendes?«
       »Ich wollte dich besuchen, das ist alles.«
       Sie schlug die Beine übereinander, und ich sah den Stoff ihres Rocks jetzt besser – ein Tweed aus Bouclégarn. Fendi oder Chanel. Ich sah an ihr herab bis zu den Schuhen. Schwarz und golden. Manolo Blahnik. Diese Geste, diese Details … Ich sah sie vor mir, wie sie
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