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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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»Herr Veum …«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie ein Schnurren.
    Es war eine einstudierte Bewegung, und sie hätte mich fast hypnotisiert. »Ein kleiner Morgenbesuch«, fuhr sie fort. Die Zungenspitze kam zwischen den Zähnen hervor, und ich fragte mich, an welchen Filmstar sie mich erinnerte.
    Dann stand sie auf, und ich wußte, daß es Marilyn Monroe war. Der Morgenrock glitt an ihr herab wie das Tuch von einer Statue, die unter großem Jubel entblößt wird.
    Aber es jubelte niemand. Ich hatte einen Job zu erledigen. Ich ging auf sie zu, schob sie hart wieder auf den Sessel, griff eine Decke von einem anderen Sessel und deckte sie damit zu. Es war kalt im Zimmer, und sie hatte schon eine Gänsehaut. Das Spiel war vorbei. Ihr Gesicht war wieder so hart wie sonst. Wir konnten zur Tagesordnung übergehen. Ich sagte: »Es ist vorbei, Frau Kvam. Ich weiß, wie ihr es gemacht habt. Ich weiß, wie es abgelaufen ist.«
    »Wie was abgelaufen ist, du schlaffer Homo?« fauchte sie mich an.
    Ich sah mich in dem nackten Raum um. Er hatte nicht viel von einem Liebesnest. Da waren die zwei Sessel, dann ein kleiner Couchtisch mit großen Ringen von Gläsern und Flaschen. Die eine Wand war nur halb hoch, und hinter einem teilweise vorgezogenen, mottenzerfressenen Vorhang schaute ein ungemütlicher Diwan hervor. Wenn ich solche Rendezvous mit Frau Moberg gehabt hätte, dann hätte ich eine öffentliche Toilette diesem hier vorgezogen.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Frau Kvam zu. »Ich weiß, wie es abgelaufen ist. Ich weiß, wie ihr das Alibi organisiert habt. Ich weiß, wie ihr sie umgebracht habt.«
    Sie sah jetzt wirklich häßlich aus. Ihr Gesicht war wie eine versteinerte Grimasse. Sie sagte mit vibrierender Stimme: »Wen haben wir umgebracht? Und wer ist wir?«
    »Du – und William Moberg«, sagte ich.
    Plötzlich war die Grimasse wie von ihrem Gesicht gewischt. Sie war wieder die kühle, professionelle Blondine, die hinter dem Tresen gesessen hatte. Aber sie hatte dicke, dunkelblaue Halbmonde unter den Augen, als hätten die letzten Nächte dort mit Blaupapier ihre Spuren gezeichnet. Sie sagte nichts, aber sie bewegte den Kopf. Sie bewegte ihn nach links und sah direkt auf den teilweise vorgezogenen Vorhang.
    Ich folgte ihrem Blick. Der Vorhang war mottenzerfressen und löchrig und war vor langer Zeit einmal blau gewesen. Aber er war nicht so mottenzerfressen, daß sich nicht jemand dahinter verstecken könnte. Sie hatte meine Aufmerksamkeit mit ihrer kleinen Stripteasenummer abgelenkt. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte nachdenken müssen.
    Sie pfiff leise, wie nach einem Hund, und der Vorhang ging zur Seite. Ein Mann stieg ins Zimmer. Er machte zwei große Schritte, denn es war ein großer Mann. Es war Teddy Lund, und er sah nicht gerade aus, als hätte er mich lieb.

45
    Teddy Lund stellte sich vor die Tür. Kate Kvam stand auf und ging in sicheren Abstand von ihm, wie ein Indianerhäuptling in die Decke gewickelt. Ich stand, wo ich stand.
    »Setz dich – da hin«, sagte sie zu mir und zeigte auf den am nächsten stehenden Sessel. Ich blieb stehen.
    Teddy Lund trat einen Schritt vor. Ich setzte mich.
    Er sah aus, wie ich es mir gedacht hatte. Ein deutlicher senkrechter, blaugelber Streifen zierte seine Stirn, verbreiterte sich zu einer dunklen Borke über den Lippen und wurde am Kinn wieder blaugelb. Er sah aus, als sei er von einer eingleisigen Vorstadtbahn überfahren worden.
    Kate Kvam verschwand hinter dem Vorhang. Teddy Lund und ich tauschten stumm zärtliche Blicke. Als Kate Kvam zurückkam, trug sie einen blauen Mantel, hohe, braune Wildlederstiefel und über dem Kopf ein schwarzrotes Tuch, das das Haar verdeckte. Sie hatte sich eine runde Großmutterbrille mit Stahlfassung und Fensterglas aufgesetzt. Sie ähnelte einer Neofeministin, und kein Polizist würde es wagen, sie anzusprechen.
    Sie wandte sich an Teddy Lund: »Ich gehe jetzt und hole die Pässe, Teddy. Er wollte sie heute fertig haben. Ich bin in ungefähr zwei Stunden zurück. Paß auf, daß Veum in diesem Zimmer bleibt. Ich schließe hier draußen ab und nehme für alle Fälle den Schlüssel mit. Das ist das Sicherste.« Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und gab Teddy Lund einen dicken, feuchten Kuß auf den Mundwinkel. Teddy Lund hielt meinen Blick mit seinem fest, aber ich sah, wie sich bei dem Kuß seine Pupillen weiteten. Die lustige Witwe stand mit ihrem Körper an seinen gelehnt. Sie drehte ihren Kopf zur
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