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Das Haus in Georgetown

Das Haus in Georgetown

Titel: Das Haus in Georgetown
Autoren: Emilie Richards
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Lydia.
    „Wer würde das nicht? Er ist unwiderstehlich.“ Faith zwinkerte ihm zu.
    Lydia nahm den Fuß von der Bremse, und das Auto rollte an. Sie fädelte sich in den Verkehr ein. „Übrigens fahren wir nicht nach Hause. Es sei denn, du hast einen zwingenden Grund.“
    Faith lehnte sich im Ledersitz zurück. „Wohin geht’s?“
    Lydia presste die Antwort heraus, wobei sie die „r“s besonders betonte. „Prospect Street.“
    Faith war angemessen überrascht. „Jetzt? Wozu?“
    „Das Haus steht leer.“
    „Leer? Hast du es nicht an Studenten der Georgetown-Uni vermietet? Das Studienjahr fängt bald an.“
    „Sie haben sich aus dem Staub gemacht. Offenbar letzte Woche. Die Verwalterin war dort, um sich um die Reparatur eines Dachfensters zu kümmern – was sie schon vor Monaten erledigen sollte –, und hat das Haus verlassen vorgefunden.“
    Lydia wechselte die Spur und beschleunigte, um einen Unfall zu vermeiden. „Ich habe den ganzen Morgen am Telefon verbracht, um die Studenten ausfindig zu machen. Offenbar hat einer von ihnen einen Praktikumsplatz irgendwo außerhalb der Stadt erhalten. Ein anderer ist zu seiner Freundin gezogen. Der dritte im Bunde hat keine neuen Mitbewohner gefunden und pendelt jetzt von Maryland.“
    „Und niemand hat es für nötig gehalten, dich zu verständigen?“
    „Nach dem ersten Jahr hat die Maklerin den Mietvertrag nicht verlängert. Sie scheint nicht geglaubt zu haben, dass sie sich eineandere Bleibe suchen könnten, weil es ziemlich schwer ist, so nahe an der Universität eine Unterkunft zu finden. Also hat sie sich um den Vertrag keine Gedanken gemacht.“
    „Wie steht’s mit der Kaution?“
    „Die Studenten hatten ohnehin keine Chance, das Geld zurückzubekommen, also haben sie es gar nicht erst versucht.“
    Faith warf Alex, der schon wieder an Remy herumzupfte, einen Blick zu. Lydia hoffte, ihre Tochter würde den Jungen endlich einmal zur Ordnung rufen. Er war rüpelhaft und unhöflich, so gar nicht das Kind, das man bei ruhigen, gesitteten Eltern wie Faith und David erwarten würde. Die Aussicht, dass er und seine Schwester bald bei ihr wohnen würden, vermochte ihr großmütterliches Herz nicht gerade zu weiten.
    Faith wandte sich Lydia zu. „Ich nehme an, das Haus ist in einem üblen Zustand?“
    „Das ist zwar eine recht drastische Formulierung, aber ich vermute, sie trifft die Sache ziemlich genau.“ Trotz allem, was im Haus an der Prospect Street geschehen war, betrübte dieser Gedanke Lydia. „Ich habe so viel wie möglich aus der Verwalterin herausgequetscht, bevor ich sie gefeuert habe. Aber ich dachte, am besten schaue ich es mir selbst an.“
    „Ich verstehe nicht, warum wir mitkommen müssen.“ Remy beugte sich vor. Im Rückspiegel konnte Lydia gerade eben den Kopf ihrer Enkelin sehen. „Ich wollte mit Megan ins Kino.“
    „Weil ich keine Zeit habe, euch erst nach Hause zu bringen“, erwiderte Lydia. „Um Himmels willen, Remy. Bei all dem, was ich für dich getan habe, wirst du doch sicher auch mir mal einen Gefallen tun können.“
    Remys Kopf verschwand aus dem Spiegel.
    Faith dämpfte ihre Stimme. „Mutter, das ist für uns alle eineschwere Zeit. Lass uns bei Remy und Alex im Zweifel für die Angeklagten entscheiden, okay?“
    „Ich tue den ganzen Tag lang kaum etwas anderes, im Grunde schon fast den ganzen Sommer über.“ Lydia hörte ihren eigenen scharfen Tonfall und fragte sich einen Moment lang, wer da sprach. Wann hatte sie in ihrem Inneren Platz für diese Stimme geschaffen? Wann hatte sich die sanfte, leise junge Frau in die zänkische, gefühllose Matrone verwandelt?
    Die Antwort war einfach. Die Transformation hatte in der Prospect Street begonnen.
    „Wir sind alle dankbar für deine Hilfe“, sagte Faith, aber irgendwie klang es nicht aufrichtig. Sie wirkte verwundet und verwundbar, wie wohl jeder Mensch in einer solchen Situation. Das Leben, das sie sich aufgebaut hatte, war vorüber, und ihre Zukunft konnte ungewisser nicht sein.
    Lydia suchte tief in ihrem Inneren nach einem Überrest jener sanfteren Person. „Nach Georgetown zu kommen ist mir nie leicht gefallen. Ich wollte ...“ Sie wusste nicht weiter.
    „Es tut mir Leid. Wir sind froh, dass wir dich begleiten und unterstützen können.“ Faith berührte ihre Mutter am Arm. „Ich zumindest. Die Kinder sind dann eben unsere Gefangenen.“
    Lydia erinnerte sich, wie Faith ihr als ganz kleines Mädchen die Finger auf den Arm gelegt hatte. Wie sie ihre Mutter aus
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