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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken
Autoren: Judith Lennox
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stärker gefährdet. Den größten Gefallen konnte er ihr tun, wenn er ihr den Namen einer Witwe oder eines älteren Ehepaars nannte, die eine Haushälterin brauchten.
    Doch nicht einmal das konnte er für sie tun. Die Beziehung zwischen ihnen, wenn man es überhaupt so nennen konnte, beruhte ja gerade darauf, dass er ihre untergeordnete gesellschaftliche Stellung ignorierte. Nähme er nun plötzlich darauf Bezug, so wäre das demütigend für sie. Sie würde sich in ihrem Stolz, der vermutlich ihr Halt war, verletzt fühlen. Da war es besser, er kehrte einfach nach London zurück.
    Ja, genau das musste er tun, und zwar so bald wie möglich, ohne weiteres Hin und Her. Er musste dieser absurden Neigung, dieser Obsession ein Ende bereiten. Auch wenn der Gedanke daran, Isabel Zeale nie wiederzusehen, ihm unsagbar wehtat, war es das einzig Vernünftige, das wusste er.
    Bei seiner Rückkehr ins Hotel wurde ihm ein Telegramm ausgehändigt. John Temple teilte ihm mit, dass es in der Teeverpackungsfabrik gebrannt hatte, und bat ihn, unverzüglich nach London zu kommen. In aller Eile packte Richard seine Sachen, bezahlte die Rechnung und lief zu seinem Wagen. An der Straßenkreuzung, wo der Wegweiser Richtung Bridgwater und London zeigte, bremste er scharf. Während er starr in die regenverschleierte Dunkelheit vor ihm blickte, dachte er an den Brand in der Fabrik und die tausend Dinge, die es für ihn zu erledigen gab. Er spürte geradezu, wie die Zeit verrann, und schlug voll Ungeduld mit der flachen Hand aufs Lenkrad. Dann zog er kurz entschlossen den Wagen herum und nahm die andere Straße.
    An der schmalen Straße, die zum Orchard House führte, tauchte er in die Finsternis der Bäume und Hecken. Tief hängende Zweige schlugen gegen die Motorhaube, und das Licht der Scheinwerfer bahnte nur einen schwach erleuchteten Pfad durch die Dunkelheit. Im dichten Regen hätte er das Haus beinahe übersehen, obwohl er angestrengt nach ihm Ausschau hielt. Im letzten Moment bremste er ab, stieg aus und landete knöcheltief in einer Pfütze.
    Die Pforte war geschlossen, die Veranda dunkel. Aber er kannte sich hier inzwischen aus, ging entschlossen den Weg zwischen den Blumenbeeten hinauf und klopfte laut an die Haustür. Nur hinter einem der verhangenen Fenster war ein trüber Lichtschein zu erkennen, und er musste ein zweites Mal klopfen, ehe drinnen das Geräusch von Schritten hörbar wurde.
    Die Tür wurde einen Spalt aufgezogen. Er sprach zu dem schmalen Lichtstreifen. »Ich bin es, Richard Finborough«, sagte er. »Ich bitte um Verzeihung, dass ich Sie zu so später Stunde noch störe, Miss Zeale. Ich werde dringend nach London zurückgerufen. In einer meiner Fabriken hat es gebrannt, und ich muss sofort abreisen. Aber vorher muss ich unbedingt noch mit Ihnen sprechen.«
    Â»Es ist spät, Mr. Finborough.«
    Â»Bitte.«
    Sie zögerte einen Moment, dann machte sie die Tür auf. Er folgte ihr ins Wohnzimmer. Neben einem Sessel stand ein Nähkorb, und auf einem Beistelltisch lag ein aufgeschlagenes Buch.
    Â»Ich störe Sie. Ich bitte nochmals um Entschuldigung.« Er setzte sich nicht, sondern ging ruhelos im Zimmer umher. »Sie haben mir gesagt, dass Sie fortgehen, sobald der Neffe von Mr. Hawkins aus Indien hier eintrifft. Und dass er voraussichtlich in etwa einem Monat ankommt. Ist das richtig?«
    Â»Ich glaube, ja.«
    Â»Und Sie beabsichtigen, sich eine andere Anstellung zu suchen.«
    Â»Ich habe schon mit der Suche begonnen. Ich muss ja. Ich habe zwar etwas Geld gespart, aber…« Sie schwieg.
    Â»Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich Sie nie wiedersehen soll.«
    Sie entgegnete trocken: »Das werden Sie schon schaffen, Mr. Finborough.«
    Â»Nein, das glaube ich nicht.«
    Â»Mr. Finborough –«
    Â»Bitte, hören Sie mich an.« Er runzelte die Stirn. »Ich war glücklich und zufrieden, bevor ich Ihnen begegnet bin. Ich hatte meine Arbeit und meine Londoner Freunde, das war mir genug. An dem Tag, an dem mein Wagen streikte, hatte ich nichts anderes im Sinn, als diesem gottverlassenen kleinen Nest schnellstens wieder den Rücken zu kehren und es zu vergessen.«
    Â»Ich habe Ihre Gesellschaft nie gesucht«, sagte sie kalt.
    Â»Das stimmt.« Er lachte kurz auf. »Eher das Gegenteil. Trotzdem muss ich unaufhörlich an Sie denken, wenn ich Ihnen
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