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Das Haus der Tänzerin

Das Haus der Tänzerin

Titel: Das Haus der Tänzerin
Autoren: Kate Lord Brown
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Gedanken.«
    »Angeblich gibt es da jemanden in Paris, der Leute mit der Bahn oder über die Pyrenäen einschleust. Ich habe da eine Adresse in der Rue Lafayette. In ein paar Tagen fährt ein Zug mit Freiwilligen vom Gare d’ Austerlitz ab. Dein Freund Cornford hat gesagt, wir könnten in ein paar Tagen im Trainingslager in Albacete sein.«
    Charles dachte an die Schlagzeile in den Movietone-Kinonachrichten am Abend zuvor, als sich der Zigarettendunst im Kino mit den flackernden schwarz-weißen Flammen auf der Leinwand vermischte: Auf faschistischen Aufstand folgt Bürgerkrieg. Chaos allenthalben in unglücklichem Land.
    »Ich weiß nicht. Ich habe mit Crozier vom Manchester Guardian noch nicht alles klargemacht. Wenn da kein Job für uns herausschaut …«
    »Dann werden wir einfach gewöhnliche Soldaten wie die anderen«, sagte Hugo lachend. »Es würde dir recht geschehen, weil du deine Ersparnisse für diese lächerlich teure Kamera ausgegeben hast. Mann, du hättest dir ein Auto kaufen können, Charles. Ich selbst nehme nur Bleistift und Notizbuch mit.«
    »In der Fotografie liegt die Zukunft, Hugo. Wenn die Leute ein Foto oder einen Film sehen, dann glauben sie es, lass dir das gesagt sein.« Er hielt inne. »Trotzdem, vielleicht war das etwas übereilt. Wenn wir diesen Auftrag nicht bekommen, kann ich mir die Fahrkarte dorthin nicht leisten.«
    »Du könntest jederzeit Porträtaufnahmen machen.«
    Charles warf ihm einen finsteren Blick zu, während er aufstand und die Stake übernahm. »Ich wollte immer Kriegsreporter sein.«
    Das Wasser schlug plätschernd gegen den Rumpf, als Hugo wieder in den Bauch des Kahns stieg. »Sind dir die Schmetterlinge nicht aufregend genug?«
    »Ich kann mich in ein paar Monaten problemlos wieder meiner Doktorarbeit widmen, wenn der Krieg vorbei ist.« Charles atmete tief durch, während das Boot vorantrieb. »Auch wenn nur sehr wenige meiner Mentoren einen Doktortitel tragen.«
    »In der Schmetterlingskunde gibt es viele Gentleman-Amateure.«
    »Ach, sei doch still, Hugo. Setz dich, um Himmels willen, endlich hin, sonst bringst du den verdammten Kahn hier noch zum Kentern.« Zornig schaute Charles nach vorn. Wolken jagten über den Himmel und spiegelten sich in den Fenstern der King’s College Chapel wie eine vorüberwehende Brautschleppe. Einsetzender Regen sprenkelte die glatte Oberfläche des Flusses. »In Spanien könnten wir vielleicht wenigstens etwas bewirken.«
    »Genau. Schau dir doch an, was in meinem Land los ist, was Hitler dort anstellt.« Hugo blickte einen Moment lang ernst. »Ich kann mich nicht einfach hier in einem Elfenbeinturm verstecken, sosehr das meinen Eltern auch gefallen würde. Das ist unsere allererste Gelegenheit, uns zu wehren. Wenn wir das nicht tun, dann werden Hitler, Mussolini, Franco … sie werden ganz Europa einnehmen.« Er zündete sich eine Zigarette an und schnippte das Zündholz in den Fluss. »Außerdem ist es ein schönes Land. Ich darf gar nicht daran denken, dass es in Stücke gerissen wird.«
    »Ich habe dir doch gesagt, wir sind zu früh zurückgekommen«, sagte Charles. Als ihm der Regen aufs Gesicht prasselte, erinnerte sich Charles an die schillernde Sommerhitze in den Hügeln beim alten Haus seines Freundes in Yegen, an das lange, trockene Gras, das ihm um die Füße strich, an den Duft von Rosmarin und Lavendel, während er Schmetterlinge jagte. Er dachte an den Schnee in der Sierra Nevada, an die Sterne, die dort ungewöhnlich hell zu leuchten schienen. »Erinnerst du dich, wie schön es ist? Unfassbar, dass sich dieses Land bei lebendigem Leib zerfleischt.«
    »Nun, so ist das im Bürgerkrieg.« Hugo blies eine Rauchwolke aus. »Die Spanier sind ein blutrünstiges Volk. Stierkämpfe und Flamenco, Bauern auf Maultieren – es ist immer noch wie im Mittelalter.«
    »Vielleicht ist es besser als all das hier«, sagte Charles und betrachtete lustlos eine Frau in einem beigefarbenen Gabardine-Regenmantel, die einen hechelnden Labrador am Ufer spazieren führte. »Dort gibt es noch Leidenschaft. Sie blicken dem Tod ins Auge, betrachten ihn als den ultimativen Höhepunkt der Existenz.« Er beugte sich zu Hugo. »Der Friedhof ist die tierra de la verdad , ihr Augenblick der Wahrheit. Für die Spanier ist das ganze Leben eine Illusion.«
    »Ich behaupte trotzdem, dass sie rückständig sind.«
    »Nein, sie stehen in Verbindung mit der Erde. Sie glauben immer noch an hechiceras , weiße Hexen. Sie glauben, sie fliegen im Mondlicht
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