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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac
Autoren: Mary Higgins Clark
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der Ruhe.«
Die muntere Stimme kam von einem Mann mit
gewaltigem Brustkorb, der auf Pat sofort den Eindruck
eines gealterten Preisboxers machte. Er hatte ein großes,
kräftiges Gesicht, das unter den tiefliegenden Augen
wabbelig zu werden begann. Sein mattes, sandfarbenes
Haar war reichlich mit Grau durchwachsen. Er trug einen
dunkelblauen Anzug und hielt eine Mütze in der Hand.
Seine Hände – sie ertappte sich dabei, daß sie sie
anstarrte. So große Hände hatte sie noch nie gesehen. Ein
Ring mit einem mehrere Quadratzentimeter großen Onyx
betonte die Klobigkeit seiner Finger noch.
Immer mit der Ruhe. Hatte er das wirklich gesagt?
Sprachlos blickte sie die Senatorin an. Aber Abigail
Jennings lachte.
»Pat, dies ist Toby Gorgone. Was seine Aufgabe bei mir
ist, kann er Ihnen selbst erzählen, während er Sie nach
Hause fährt. Ich bin selbst nie ganz dahintergekommen,
dabei ist er schon fünfundzwanzig Jahre bei mir. Er
stammt auch aus Apple Junction, und außer mir ist er das
Beste, was dieser Ort je hervorgebracht hat. Und jetzt muß
ich los. Kommen Sie, Phil.«
Sie eilten davon. Diese Sendung zu machen wird die
reine Hölle, dachte Pat. Sie hatte drei ganze Seiten voll mit
Punkten, über die sie mit der Senatorin hatte reden wollen,
und hatte erst einen einzigen davon zur Sprache bringen
können. Toby kannte Abigail Jennings seit ihrer Kindheit.
Daß sie sich sein unverschämtes Verhalten gefallen ließ,
war unglaublich. Vielleicht konnte er ihr auf der
Heimfahrt einige Fragen beantworten.
Gerade als sie bei der Empfangssekretärin ankam, flog
die Tür auf, und die Senatorin kam, gefolgt von Philip,
wieder hereingerauscht. Ihre Gelassenheit war dahin.
»Toby, gut, daß ich Sie noch erwische«, fuhr sie ihn an.
»Was hat Sie auf die Idee gebracht, daß ich nicht vor
sieben in der Botschaft sein müßte?«
»Das haben Sie mir selbst gesagt, Senatorin.«
» Kann sein, daß ich Ihnen das gesagt habe, aber ist es
nicht Ihre Pflicht, noch einmal nachzuchecken, was für
Termine ich habe?«
»Doch, Senatorin«, sagte er freundlich.
»Ich muß um sechs dasein. Stehen Sie um Viertel vor
unten bereit.« Sie schleuderte ihm die Worte entgegen.
»Senatorin, Sie kommen noch zu spät zur Abstimmung«,
sagte Toby. »Sie sollten jetzt lieber gehen.«
»Ich käme überall zu spät, wenn ich nicht Augen im
Kopf hätte, mit denen ich Sie überprüfen könnte.«
Diesmal flog die Tür krachend hinter ihr ins Schloß.
Toby lachte. »Wir sollten jetzt besser aufbrechen, Miss
Traymore.«
Pat nickte wortlos. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß
einer der Dienstboten zu Hause Veronica oder Charles mit
einer solchen Vertraulichkeit angeredet hätte oder so kühl
geblieben wäre bei einem Tadel. Was für Umstände hatten
eine so merkwürdige Beziehung zwischen der Senatorin
und ihrem bulligen Fahrer entstehen lassen? Sie beschloß,
das herauszufinden.

4
    Toby steuerte den schnittigen grauen Cadillac Sedan de
Ville durch den immer stärker werdenden Verkehr. Er
dachte wohl zum hundertsten Mal, daß Washington
spätnachmittags der Alptraum jeden Chauffeurs war. All
diese Touristen mit ihren Mietwagen, die nicht
mitbekamen, daß manche Straßen um punkt vier
Einbahnstraßen wurden, machten den Leuten, die hier
arbeiteten, höllisch zu schaffen.
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel, und ihm gefiel,
was er sah. Patricia Traymore war in Ordnung. Sie hatten
Abby zu dritt zureden müssen – er selber, Phil und Pelham
–, bis sie ihre Zustimmung zu dieser Dokumentarsendung
gab. Deswegen fühlte Toby sich noch mehr als sonst dafür
verantwortlich, daß alles gut ging.
    Doch man konnte es Abby nicht übelnehmen, daß sie
nervös war. Alles, was sie sich immer gewünscht hatte,
war in greifbare Nähe gerückt. Seine Augen begegneten
im Spiegel Pats Blick. Was für ein Lächeln dieses
Mädchen hatte! Er hatte gehört, wie Sam Kingsley zu
Abigail sagte, diese Pat Traymore brächte einen dazu,
Dinge zu erzählen, über die zu reden man sich nie habe
vorstellen können.
    Pat hatte darüber nachgedacht, auf welche Weise sie
Toby ansprechen sollte, und war zu dem Schluß
gekommen, daß die direkte Art die beste war. Als das
Auto auf der Constitution Avenue vor einer Ampel hielt,
beugte sie sich vor. Mit einem leisen Lachen in der
Stimme sagte sie: »Toby, ich muß Ihnen gestehen, daß ich
dachte, ich hörte nicht recht, als Sie ›Immer mit der Ruhe‹
zur Senatorin sagten.«
Er
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