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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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war, als Schedrag ihm das feine Messer zurückgab und mit einer Geste bedeutete, das Opfer zu vollziehen.
    Dragomira biss sich hart auf die Zunge, um einen Laut des Schreckens zu unterdrücken.
    Tugomir sah auf das Messer in seinen Händen. Lange, so kam es ihr vor. Dann hob er den Blick und schaute Schedrag an.
    Der uralte Priester nickte ihm ernst zu. »Ich weiß. Aber es muss sein. Deswegen haben die Götter ihn ausgewählt. Damit du es tun und dein Volk vor dem Untergang bewahren kannst. Der Einzige, für den es wirklich ein Opfer bedeutet.«
    Dragomira spürte Tränen in den Augen brennen, hob für einen Moment den Kopf und fuhr sich mit dem linken Unterarm übers Gesicht. Es kam ihr vor, als laste ein Mühlstein auf ihrem Herzen, und endlich gestand sie sich ein, was sie schon lange geahnt hatte: Sie hasste Schedrag. Er war ein gerissener alter Wolf, der ihren Vater vollkommen beherrschte und ihren Bruder gestohlen hatte. Und jetzt zwang er ihn, etwas so Grauenvolles zu tun. Etwas, das Tugomir sich vermutlich niemals vergeben konnte. Natürlich war ihr klar, dass es in Wirklichkeit Jarovit war, der all diese Dinge tat. Aber einen Gott zu hassen war verboten. Also blieb ihr nur der Hohepriester.
    Tugomir zögerte immer noch.
    »Wird’s bald? Nun schlachte den blinden Kapaun endlich, du Jammerlappen«, lallte Bolilut, was ihm einen so unsanften Rippenstoß von ihrem Vater eintrug, dass er zur Seite kippte.
    Tugomir schien ihn nicht gehört zu haben. Immer noch sah er Schedrag unverwandt an. Dann hielt er ihm das Messer kopfschüttelnd hin und öffnete die Lippen, um irgendetwas zu sagen.
    Der Priester kam ihm zuvor: »Es ist deine letzte Prüfung, Tugomir. Ich weiß, sie ist die schwerste. Aber wenn du jetzt dein Schweigen brichst, war alles umsonst, was du auf dich genommen und was du gelernt hast.«
    »Er hat recht, Tugomir«, sagte Anno. Die versammelten Krieger murmelten aufgebracht. Dragomira schloss, dass es sich für ein Opfer nicht gehörte, die Priester anzusprechen. Doch wie sie Anno kannte, war ihm das völlig gleich.
    Sie täuschte sich nicht: »Wirf nicht alles weg, was du sein wolltest, nur damit dieses Stück Dörrfleisch mir die Kehle durchschneidet«, fuhr er fort. »Mir ist es lieber, wenn du es tust, ehrlich. Komm schon. Und wenn du mir Respekt erweisen willst, dann lass mich nicht länger warten.«
    Tugomir erwachte aus seiner Starre. Dragomira sah Tränen über seine Wangen laufen, als er hinter Anno trat, ihm die Linke auf die Stirn legte und den Hinterkopf gegen seinen Oberschenkel drückte. Dann setzte er ihm die scharfe Klinge an den Hals und schnitt ihm mit einer raschen, aber kontrollierten Bewegung die Kehle durch.
    Ein Blutstrahl schoss aus der klaffenden Wunde und ertränkte zischend eine der Öllampen am Boden. Anno gab einen Laut von sich, der wie ein Seufzen klang, und sein Leib erschauderte, aber Tugomir hielt ihn weiter fest. Er hatte das kostbare Messer fallen lassen und dem Sterbenden die Rechte auf die Schulter gelegt. Und so verharrte er, bis Annos Körper erschlaffte und der Blutstrom ein Rinnsal wurde.
    Dragomira konnte nicht länger hinschauen. Es war nicht der Anblick des toten Freundes, den sie unerträglich fand, sondern das Gesicht ihres Bruders. Sie richtete sich auf und wandte den Kopf. Als sie das Feuer entdeckte, durchzuckte sie ein solcher Schreck, dass sie um ein Haar den Halt verloren hätte.
    Die ganze Vorburg brannte lichterloh.
    Das Schwert in der Rechten, eine Fackel in der Linken trat Otto die Bretterwand auseinander, die das Tunnelende versperrte, und orientierte sich mit einem raschen Blick. Er befand sich in einer einräumigen Hütte, in der Wollvliese bis zur niedrigen Decke aufgestapelt lagen. An drei Stellen stieß er die Fackel hinein, bis die Wolle lustlos zu brennen begann. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass sein Stoßtrupp nachrückte, dann stürmte er ins Freie.
    Der Schnee machte die Nacht hell. Otto entdeckte das Haupttor zu seiner Linken, klopfte Udo eindringlich auf die Schulter und wies mit der Klinge in die Richtung. Der Soldat nickte, winkte seinen Männern, und geduckt liefen sie im Schatten der Gebäude entlang, die sich an den Wall schmiegten.
    Dann erklangen Flüche von oben. Offenbar bekamen die Männer, die auf dem Dach der Hütte Wache standen, warme Füße. Zwei sprangen vom Wehrgang herunter und landeten mit gezückten Schwertern vor dem Prinzen im Schnee.
    Otto rammte dem Linken die Klinge in den
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