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Das Harvard-Konzept

Das Harvard-Konzept

Titel: Das Harvard-Konzept
Autoren: Roger Fisher
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|46| ihm – und beides wird nun gegeneinander ausgespielt. Wenn für Ihre Versicherungsgesellschaft langfristig die Beziehung zum staatlichen Aufsichtsbeamten wichtig ist, werden Sie wahrscheinlich das Sachproblem auf sich beruhen lassen. Wenn es mehr um eine vorteilhafte Lösung als um den Respekt oder die Zuneigung zur Gegenseite geht, können Sie natürlich die Beziehung zugunsten der Sache auch hintanstellen. »Wenn Sie diesen Punkt nicht akzeptieren, ist Schluss. Das war dann das letzte Mal, dass wir miteinander verhandelt haben.« Allerdings wird auch das Nachgeben in einer Kernfrage nicht automatisch Freundschaft einbringen. Es kann möglicherweise auch die Gegenseite davon überzeugen, dass man Sie ausnutzen kann.
    Trennen Sie persönliche Beziehungen von der Sachfrage. Kümmern Sie sich unmittelbar um das »Problem Mensch«
    Mit Sachproblemen fertig zu werden und dennoch gleichzeitig gute Beziehungen aufrechtzuerhalten muss nicht konfliktreich sein. Beide Seiten müssen sich lediglich verpflichten – und dazu auch psychologisch in der Lage sein –, beides getrennt voneinander und nach dem Gesichtspunkt der jeweiligen Legitimität zu behandeln. Gründen Sie die Beziehung auf genaue Vorstellungen, unzweideutige Kommunikation, sachbezogene Gefühle und vorausweisende zielstrebige Perspektiven. Kümmern Sie sich unmittelbar um das »Problem Mensch«. Versuchen Sie nicht, es durch Zugeständnisse in der Sache zu lösen.
    Wenn es um psychologische Probleme geht, sollten Sie auch psychologische Techniken benutzen. Wenn die Vorstellungen nicht präzise sind, suchen Sie nach einer Präzisierung. Wenn die Emotionen hochgehen, finden Sie Wege zum Abbau der Erregung für alle. Gibt es Missverständnisse, verbessern Sie die Kommunikation.
    Drei Grundbegriffe sind auf dem Weg durch das Dickicht des »Problems Mensch« für Ihr Denken nützlich: Vorstellung, Emotion, |47| Kommunikation. All die verschiedenen Probleme fallen unter einen dieser Aspekte.
    Beim Verhandeln vergisst man übrigens auch leicht, sich nicht nur um die menschlichen Probleme der anderen zu kümmern, sondern auch um die eigenen. Ihr Ärger und Ihre Frustration können sehr wohl auch eine für Sie günstige Übereinkunft verhindern. Oft genug werden Ihre Vorstellungen einseitig sein, und möglicherweise hören Sie manchmal auch nicht richtig zu. Die Techniken, die wir im Folgenden anführen, beziehen sich daher ebenso auf Ihre Probleme wie auch auf die der Gegenseite.
    Vorstellungen
    Das Verständnis für das Wie und Was im Denken der Gegenseite ist nicht nur nützlich für die Lösung Ihres Problems. Was die Gegenseite denkt, ist Ihr Problem. Ob Sie ein Geschäft machen oder einen Streit schlichten: die Differenzen bestimmen sich immer als der Unterschied zwischen Ihrem Denken und dem der Gegenseite. Wenn zwei Personen streiten, geht es gewöhnlich um einen Gegenstand – zum Beispiel erheben beide Anspruch auf dieselbe Uhr – oder um ein Ereignis – wenn jeder behauptet, der andere habe den Autounfall verschuldet. Genauso ist es bei der Auseinandersetzung von Nationen: Marokko und Algerien stritten über einen Teil der West-Sahara, Indien und Pakistan über die Entwicklung der Atombomben der jeweiligen Gegenseite.
    In solchen Situationen suchen viele dadurch weiterzukommen, dass sie den Gegenstand oder das Ereignis intensiver untersuchen. Sie betrachten die Uhr genauer oder messen die Bremsspuren am Unfallort. Sie befassen sich mit der West-Sahara oder der genauen Geschichte der Atomwaffenentwicklung in Indien und Pakistan.
    Der Konflikt liegt jedoch schließlich nicht in der objektiven Wirklichkeit, sondern in den Köpfen der Menschen. Entdeckt man »Wahrheiten«, so ist das sicher ein zusätzliches Argument – manchmal |48| ein gutes, manchmal weniger gut – zur Behandlung des Falles. Die Differenzen selbst aber existieren nur, weil die Menschen sie in ihren Köpfen denken. Selbst wenn Ängste unbegründet sind, so sind sie doch real und man muss sie beachten. Selbst unrealistische Hoffnungen verursachen mitunter Kriege. Und selbst noch so deutlich festgestellte Fakten tragen möglicherweise nicht zur Lösung des Problems bei. Beide Seiten mögen darüber einig sein, dass der eine die Uhr verloren und der andere sie gefunden hat, aber sie bleiben weiterhin im Streit, wer sie nun bekommt. Es mag letztendlich feststehen, dass der Autounfall durch einen geplatzten Reifen verursacht wurde, und doch streiten die Parteien weiter, wer den Schaden
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