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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition)
Autoren: Jörg Luzius
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überprüfen.
    Sie aber lachte nur.
    „Nein“, sagte sie belustigt. „Nein, ich bin keine Mutantin.“ Sie sah mir tief in die Augen. „Du hast noch niemals jemand von meiner Art gesehen, nicht wahr?“
    Ich schüttelte mit dem Kopf.
    „Nun, da bist du nicht alleine. Seit wir die östlichen Counties verlassen haben, stoße ich ständig auf so ungläubige Gesichter wie deines.“ Sie lachte erneut auf. „Du solltest mal deinen Gesichtsausdruck sehen.“
    Ich war unangenehm berührt und versuchte, mich zusammenzureißen, doch glaube ich, dass ich hochrot anlief. Zumindest aber hatten meine Ohren begonnen zu glühen, darauf möchte ich wetten.
    „Im Osten, in Dublin, da gibt es einige von meiner Art. Wenngleich wir auch nicht sonderlich viele sind – das muss ich zugeben. Zudem auch noch ein paar andere Leute, deren Anblick dich wahrscheinlich ebenso verwirren würde wie der meinige. Menschen mit gelblicher Haut und engen geschlitzten Augen....“ Dabei fasste sie sich mit den Fingern an ihre Augenlieder und verzog sie zu Strichen.
    Ich wusste nicht, ob sie nun scherzte oder ob sie das wirklich ernst meinte. Nach all dem aber, was ich an diesem Nachmittag bereits gesehen hatte, hielt ich auch das nicht mehr für unmöglich.
    „Übrigens, ich heiße Sarina.“ Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Ich brauchte eine Weile, bis ich reagierte und sie ergriff. Sanft und doch fest zugleich war dieser Händedruck. Er hatte etwas warmherziges und zutiefst freundliches. Ebenso wie der Blick ihrer Augen. Je länger ich sie anstarrte, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass sie eigentlich wunderschön war, wenn man sich erst einmal an diese eigenartige Hautfarbe gewöhnt hatte.
    „Ich heiße Liam“, erwiderte ich nach einer ganzen Weile. „Liam O’Sullivan“
    „O’Sullivan?“ Einen kurzen Augenblick wirkte sie überrascht.
    „Ja, warum?“
    „Ach nichts! Ich dachte nur, ich hätte diesen Namen schon einmal gehört. Ich glaube Marten hat ihn mal erwähnt. Das ist einer der Puppenspieler. Aber ich nehme an, der Name ist wohl recht häufig.“
    „Ja, ziemlich häufig.“, sagte ich nur. Ich war noch immer ganz in den Anblick ihrer Augen vertieft.
    „Ach, übrigens: Du kannst meine Hand jetzt ruhig wieder loslassen.“, meinte sie lachend.
    Ich stotterte eine wirre, zusammenhanglose Entschuldigung und löste den Händedruck, während ich spüren konnte wie mir erneut die Röte ins Gesicht schoss. Peinlich berührt wandte ich mich ab. Ich fixierte meinen Blick wieder auf das riesige Tier. Diesmal jedoch mehr aus Verlegenheit, denn aus Interesse.
    „Ein Elefant“, sagte sie. „Du hast noch nie einen gesehen?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Natürlich nicht. Wie dumm von mir. Wo auch.“
    Ihre Stimme war sanft und einfühlsam. Ganz im Gegensatz zu mir, schien sie sehr darauf bedacht, mich nicht zu kränken, und mir meine Unwissenheit nicht vor Augen zu führen.
    „Der Zirkus hat ihn aus dem Zoo in Dublin. Er ist schon sehr alt...“
    „Zoo?“, fragte ich verwirrt.
    „Ja“, sagte sie. Dann erst schien sie zu begreifen, dass ich offenbar nicht die leiseste Ahnung hatte, was dieses Wort bedeutete.
    „Das ist ein großer Park, mit vielen Gehegen. Die unterschiedlichsten Tiere leben dort. Tiere, die sonst nirgendwo mehr zu finden sind. Ausgenommen in Belfast vielleicht, wo es auch einen Zoo geben soll, wie ich gehört habe. Doch soweit sind wir niemals gereist. Jede Tierart hat dort ein eigenes Gehege und die Wärter sorgen dafür, dass sie artgerecht leben und es ihnen an nichts fehlt. All diese Tiere leben dort in ihrer eigenen kleinen Welt. Einige davon würden dir wahrscheinlich noch viel seltsamer erscheinen, als unser alter Sammy hier.“
    „Auch Löwen?“, fragte ich unbedacht.
    Sie sah mich einen Augenblick überrascht an.
    „Ja, auch Löwen, soweit ich weiß. Woher hast du das?“
    Ich hätte mir am liebsten auf die Zunge beißen mögen. Den Namen hatte ich natürlich aus Robinson Crusoe, doch das wollte ich nicht erzählen. Das Buch hatte mir wahrlich schon genug Ärger eingebracht.
    Ich wollte gerade etwas murmeln, von wegen das Wort hätte ich irgendwann mal aufgeschnappt, als eine Stimme laut zu uns herüberdrang:
    “Sarina!“
    Wir fuhren herum. Eine Frau mittleren Alters stand da. Ebenso bunt gekleidet wie Sarina und mit ebensolcher schwarzen Haut. Zweifellos ihre Mutter.
    „Sarina! Wir müssen uns fertig machen. Die Vorstellung beginnt bald.“
    „In Ordnung, Mom! Ich komme gleich!“,
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