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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition)
Autoren: Jörg Luzius
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gewesen sein. Viel mehr – unendlich viel mehr – Menschen musste es zu jener Zeit gegeben haben. Die unzähligen Ruinen in Dublin, welche noch immer lange nicht alle abgerissen waren, belegten das eindeutig, so meinte Sarina überlegend.
    „Es gibt dort eine gewaltige Kirche. Viel größer als alles was du dir vorstellen kannst. Doch sie zerfällt immer mehr und es ist gefährlich, sich dort aufzuhalten. Sie ist ebenso baufällig wie die meisten anderen Häuser aus jener Zeit, wenngleich sie mir auch wesentlich stabiler gebaut zu sein scheint. Ich glaube sogar, sie ist noch wesentlich älter als alles was sonst noch so aus der dunklen Zeit übrig ist. Sogar als die Eisenwege.“
    „Die Eisenwege?“, fragte ich verwirrt.
    Sie nickte.
    „Man kann sie hier und da noch sehen. In den meisten Gegenden jedoch ist das Eisen längst von den Menschen geborgen worden und fand wahrscheinlich anderweitig Verwendung. Aber man kann die Dämme noch erkennen, auf denen sie verliefen. Ewig lange gerade Strecken, zu deren beider Seiten lange Eisenstränge angebracht waren – bis über den Horizont hinaus. Ich weiß nicht wozu genau sie einst gedient haben mochten. Eines aber ist klar: Sie verbanden Städte und Dörfer miteinander – vielleicht sogar ganze Counties. Die Menschen haben vor dem Neubeginn also nicht in derart abgeschlossenen Gemeinschaften gelebt wie heute. Zumindest aber müssen sie mehr Kontakt untereinander gehalten haben.“
    Sarina erzählte an diesem Abend noch viel über ihre Reisen, und ich sog ihre Schilderungen – so unwahrscheinlich sie mir bisweilen auch vorkamen – gierig in mich auf.
     
     
    Auf dem Brachfeld herrschte mittlerweile Stille, als wir schließlich dorthin zurückgekehrt waren.
    „Ich muss nun zu unserem Wagen“, sagte Sarina, als wir die ersten Zelte und Wohnwagen erreicht hatten. Ich sah ihr in die Augen, die im schwachen Licht der Nacht weiß aufzuleuchten schienen. Da hörten wir auf einmal leise Stimmen, die in unsere Richtung kamen. Schritte näherten sich uns. Instinktiv drückten wir uns in den Schatten des am nächsten stehenden Planwagens.
    Dann waren die Männer heran. Vier oder fünf an der Zahl. Ich vermochte es im Dunkel nicht so genau zu erkennen. Sich leise unterhaltend, kamen sie, nur wenige Meter entfernt, an uns vorüber. Der schwache Schein einer Öllampe fiel plötzlich auf eines der Gesichter. Ich erschrak. Es war das Gesicht meines Vaters. Was wollte er hier? Sicherlich suchte er nach mir, so vermutete ich im ersten Augenblick. Doch dann hörte ich wie einer der Männer raunte:
    „Vertrau’ mir, Michael.“ (So hieß mein Vater mit Vornamen) „Niemand wird uns hier stören. Es ist hier wesentlich sicherer als anderswo. Douglas ist in Gefahr! Ich brauche dich ja wohl nicht eigens daran zu erinnern, wie wichtig es ist, dass niemand von unserer Zusammenkunft erfährt. Die Menschen hier sind eine verschworene Gemeinschaft. Niemand würde jemanden davon berichten, wenn unser Treffen hier zufällig bemerkt werden sollte. Kannst du dir über deine Knechte da genauso sicher sein?“
    Ich hörte meinen Vater irgendetwas brummen, das wie eine widerwillige Zustimmung klang, dann waren sie auch schon vorüber und verschwanden in einem der Wagen.
    „Das waren Marten und Ian“, sagte Sarina verwundert. „Die anderen kenne ich nicht.“
    „Einer davon war mein Vater“, erwiderte ich, noch immer sichtlich verwirrt. „Ich möchte bloß wissen was der hier will.“
    „Was auch immer es ist, offenbar wollten sie nicht gesehen werden“, sagte sie leise. „Es ist besser du gehst jetzt. Wäre schon komisch wenn man uns hier mitten in der Nacht zusammen entdeckt. Meine Eltern würden sicher sofort wer weiß was denken.“ Sie lachte leise.
    Ich blickte sie stumm an. Da plötzlich schoss ihr Gesicht unvermutet auf mich zu. Für einen winzigen Augenblick nur berührten ihre Lippen ganz sanft die meinen. Sofort darauf aber wandte sie sich ab und verschwand in der Dunkelheit.
    Ich blieb verwirrt zurück. Erst nach einer ganzen Weile machte ich mich auf den Weg und trottete über die Felder nach hause.
     
     
    Natürlich bekam ich am folgenden Tag die Leviten gelesen. Ich war am Abend zuvor erst sehr spät heimgekehrt und meine Mutter hatte mich bereits erwartet. Mit traurigem Blick hatte sie mir entgegengesehen. Auf meine gestammelten Entschuldigungen war sie jedoch nicht eingegangen und hatte mich auf mein Zimmer geschickt.
    Mein Vater hatte sich mich dafür am Morgen um so
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