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Das große Los

Das große Los

Titel: Das große Los
Autoren: Georges Simenon
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letzte Nacht nachgegangen, vielleicht waren Sie’s sogar selber.«
    Ob sie Natascha überzeugt hatte? Noch aufgedrehter als eben, meinte sie, den rechten Ton getroffen zu haben, und das machte sie irgendwie mutwillig. Sie wollte bis zum Äußersten gehen.
    »Übrigens, was beweist denn, daß Lucy Perrin wirklich tot ist und das nicht bloß ein Bullentrick ist? Die sagen doch, sie ist heimgegangen und hat sich dort plötzlich in Luft aufgelöst.«
    Sie sah Natascha die Stirn runzeln.
    »Und außerdem hab’ ich jetzt die Schnauze voll. Louis bezahlt mich nicht dafür, daß ich Ihnen um den Bart gehe, und wenn Sie mich unbedingt verhören wollen, laden Sie mich gefälligst zum Quai des Orfèvres vor.«
    Sie wandte sich zu der Tänzerin um.
    »Natascha, kommst du mit?«
    Sie ließ den verblüfften Lapointe mitten im Zimmer stehen und drehte sich beim Hinausgehen kurz um, um ihm die Zunge herauszustrecken.
    Er folgte den beiden ins Treppenhaus, schlängelte sich zwischen den Tischen durch und nahm seinen Platz an der Bar wieder ein. Wenig später ging er in die Telefonzelle, und Lili fragte sich, ob er vielleicht gerade im Quai de la Tournelle anrief. Ob er sich das traute? Nach kurzem Überlegen schloß sie es aus.
    »Diese Kerle kotzen mich an«, seufzte sie und ließ sich auf den Stuhl neben Natascha fallen.
    »Bist du mit denen schon mal aneinandergeraten?«
    Anstatt eine Antwort zu riskieren, die vielleicht leichtsinnig gewesen wäre, starrte sie lieber finster vor sich hin wie jemand, dem was aufs Herz drückt.
    »Was hat er denn gewollt?«
    »Hast du doch gehört.«
    »Ich bin erst gekommen, als du die Tür aufgemacht hast.«
    Den Eindruck hatte Lili bereits gehabt, aber sie war trotzdem erleichtert, daß die andere den Anfang des Gesprächs nicht belauscht hatte.
    »Die beschäftigt wohl, warum ich hierherkomme und singe. Die denken doch glatt, das ist nicht auf meinem eigenen Mist gewachsen, mich hat jemand hergeschickt. Ob der sich wohl einbildet, ich wäre nicht freiwillig hier?«
    Man hatte Getränke vor sie hingestellt, pro forma, Gläser mit gefärbtem Wasser. Natascha ließ automatisch den Blick durch den Raum schweifen, aber da saß kein einsamer Gast, der für sie eine Flasche springen lassen würde. Das kam erst später, wenn die anderen Nachtklubs alle zugemacht hatten. Zwei Paare tanzten. Die Stimmung war mies. Louis, der so tat, als stehe er mit der Polizei auf bestem Fuß, hatte sich an Lapointe herangepirscht und ihm ›auf Kosten des Hauses‹ einschenken wollen.
    »Zigarette?«
    Lili nahm eine und beugte sich vor zu dem Streichholz, das Natascha ihr hinhielt.
    »Danke. Ich frage mich, wie die auf so was kommen. Vielleicht verfolgen die ’ne Spur, von der die Zeitungen nichts schreiben?«
    »Warum glaubst du das?« fragte die Tänzerin, die Ellenbogen auf dem Tisch und das Gesicht in die verschränkten Hände gestützt.
    »Weiß nicht. Nur so ’ne Ahnung. Jedenfalls habe ich keine Angst. Gibt doch keinen Grund, daß jemand zum Spaß die Sängerin vom ›Pélican‹ abmurkst, egal wen. Warum nicht auch die Tänzerin? Hat dich etwa einer umbringen wollen? Nein! Also?«
    »Du hast mehr Mumm, als ich dachte. Anfangs hab’ ich dich für ein Gänschen gehalten, wie die von gestern, Lucy Perrin. Ich frage mich immer noch …«
    »Was denn?«
    »Nichts.«
    Sie stand auf, um wieder ihren Auftritt zu machen, denn im Lokal war keine Stimmung, zweimal war schon die Tür aufgegangen, Leute hatten die Nase hereingesteckt und waren draußengeblieben, weil einfach nichts los war.
    Lapointe vermied es jetzt, zu ihr herzusehen, aber sie merkte doch, daß er über sie nachgrübelte, und war sicher, daß sie draußen keine zehn Schritte tun konnte, bevor er an ihrer Seite sein würde. Mit wem hatte er telefoniert? Etwa mit dem Quai des Orfèvres? Wozu?
    Sie wurde rot bei dem Gedanken, daß er vielleicht Verstärkung angefordert hatte, um sie ganz gewiß beschützen zu können. In was mischte er sich da ein?
    Louis war hergekommen und hatte sich auf den Stuhl gesetzt, den Natascha freigemacht hatte.
    »War er fies?« fragte er halblaut, dabei mit dem Kinn auf den Kriminalinspektor deutend.
    »Nicht besonders.«
    »Den kenn ich. Kein übler Kerl, aber übereifrig.«
    Sie lächelte.
    »Der kann bei mir nicht landen!« behauptete sie.
    Seltsam, Natascha bei ihrem Auftritt von hinten zu beobachten. Unter den Musikern war auch ein junger Akkordeonspieler, der ganz gebannt zu Lili hersah und Schmachtblicke
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