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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman
Autoren: Richard Laymon
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herum und vergrub das Gesicht in der warmen Mulde ihres Kissens.
    Eigentlich liebte sie diesen Moment, wenn sie sich in die wohlige Wärme ihres Betts kuscheln und die Gedanken schweifen lassen konnte.
    Heute jedoch fühlte sie sich unbehaglich und verängstigt.
    Sie wusste, dass Steve und Darlene der Grund dafür waren.
    Es ließ sie innerlich frösteln.
    Sie hatte eigentlich kein Mitleid mit den beiden. Schließlich hatten sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn es stimmte, was Cynthia erzählt hatte. Niemand raste mit siebzig über die River Road. Und wenn sie tatsächlich nackt gewesen waren, als sie gegen die Brücke knallten, umso schlimmer. Sie waren gerast und hatten es miteinander getrieben. Das war praktisch Selbstmord.
    Außerdem war es um die beiden nicht wirklich schade. Steve sah vielleicht blendend aus und gab einen ziemlich guten Quarterback ab, war aber derart eingebildet, dass einem das Kotzen kam. Und Darlene war nicht nur eingebildet, sondern setzte ihr Aussehen als Folterinstrument ein, um die Hälfte der Jungs in der Schule zu quälen.
    Vicki wusste, dass sie keinen der beiden vermissen würde.
    Aber sie waren tot.
    Tot.
    Die Kälte in ihrem Inneren nahm zu.
    Rumliegen und Rumgrübeln machten es nicht gerade besser.
    Sie stand auf und stellte die Weckwiederholung aus, streckte sich, zog ihre Pyjamahose hoch und trat ans Schlafzimmerfenster.
    Draußen war es wunderschön. Der Himmel war wolkenlos und blassblau. In der Ferne ging Mr. Blain auf seinem Dock in die Hocke, um die Leine seines Außenborders zu lösen.
    Die warme Morgenbrise zupfte an Vickis Pyjama, so dass der leichte Stoff ihre Haut streichelte.
    Sie hörte das Summen von Insekten, das Zwitschern der Vögel und das Schnattern eines Seetauchers. Ein Schmetterling flatterte an ihrem Fenster vorüber.
    Sie dachte, wie schön dies alles war, und dann dachte sie, dass Darlene und Steve nie wieder einen neuen Morgen erleben würden.
    Sie stellte sich Darlene in einem dunklen, engen Sarg vor, begraben unter sechs Fuß Erde. Das schien ihr irgendwie schlimmer als verbrannt zu werden wie Steve.
    Fröstelnd wandte sie sich vom Fenster ab. Sie ging zum Schrank und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Während sie aus dem Zimmer lief, beruhigte sie sich mit dem Gedanken, dass beide im Himmel waren. Sie war sich nicht sicher, ob es einen Himmel gab, aber der Gedanke daran war besser als die Vorstellung, dass sie einfach nur für immer tot waren.
    Im Korridor roch sie Kaffee. Sie fragte sich, wie etwas, das so köstlich roch, so bitter schmecken konnte.
    Dad saß mit seinem Kaffee am Frühstückstisch. Mom stand am Herd und sah über die Schulter, als Vicki hereinkam. »Willst du Spiegelei oder Rührei?«, fragte sie.
    »Spiegelei, glaube ich.«
    Es schien alles so normal.
    »Morgen, Pops.«
    Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er hatte sich noch nicht rasiert.
    Irgendwo hatte sie gehört, dass der Bart nach dem Tod eines Mannes noch eine Weile weiterwächst.
    Er tätschelte Vickis Hüfte.
    Er wird irgendwann sterben, dachte sie. Und Mom auch.
    Hör auf damit, sagte sie sich. Sie sind erst achtunddreißig, Herrgott nochmal.
    Sie drückte ihn noch einmal ganz besonders fest, richtete sich auf und sah ihre Mutter an. Mom schlug gerade ein Ei in die Pfanne. Sie trug das blaue Kleid, das Dad ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
    Wenn ich jetzt rumlaufe und jeden umarme, dachte Vicki, werden sie mich für gestört halten.
    Also setzte sie sich auf den Stuhl, auf dem sie immer saß, und trank einen Schluck Orangensaft. Dad sah ihr dabei zu.
    »Hast du gut geschlafen?«, fragte er.
    »Klar.«
    »Schlecht geträumt?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Wir haben dich heute Nacht im Schlaf reden hören«, sagte Mom vom Herd herüber.
    »Wirklich? Hab ich irgendwas Interessantes gesagt?«
    »Nur unverständliches Gebrabbel«, erwiderte ihr Dad.
    »Es klang jedenfalls ziemlich aufgebracht.«
    »Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht.«
    »Wenn dich irgendwas bedrückt …«
    »Ich bin okay, Mom. Wirklich.«
    »Wie zum Beispiel, dass deine Periode ausbleibt«, sagte Dad.
    Vicki merkte, wie sie rot wurde. »Sehr witzig.«
    »Das ist es also nicht?«
    »Wohl kaum.«
    Mom brachte den Teller. Das Spiegelei lag auf einer Scheibe Toast, wie Vicki es mochte, mit zwei Streifen gebratenem Speck. Während sie ihr Frühstück zerschnitt und alles durcheinandermischte, goss Mom Dad und sich selbst Kaffee nach und setzte sich.
    »Es war eine
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