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Das Gottesgrab

Das Gottesgrab

Titel: Das Gottesgrab
Autoren: Will Adams
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hatte, als Hassan sich an seine Frau heranmachen wollte.
    Knox senkte seinen Blick, schaute sich um und hoffte die Last der Verantwortung nicht allein tragen zu müssen. Max und Hassans Sicherheitschef Nessim, ein ehemaliger Fallschirmspringer, überprüften gegenseitig ihre Tauchausrüstung. Auf die beiden konnte er nicht zählen. Ingrid und Birgit, zwei Skandinavierinnen, die Max angeschleppt hatte, damit sie Roland Gesellschaft leisteten, waren bereits fertig und warteten an der Heckleiter. Knox versuchte, Ingrids Blick zu erhaschen, doch sie wusste offenbar, was er im Sinn hatte, und sah weg. Er schaute wieder hoch zur Brücke. Hassan grinste ihn immer noch an und schien genau zu wissen, was in Knox vorging. Ein Alphatier in seinem Element, das die Herausforderung genoss. Er fuhr mit seiner Hand langsam an Fionas Seite hinab und presste sie fest auf ihren Hintern. Der Mann war aus dem Nichts gekommen und hatte sich mit dreißig Jahren zum mächtigsten Schiffsmakler des Suezkanals gemacht. So etwas erreichte man nicht als Weichei. Mittlerweile langweilte er sich anscheinend und wollte sein Imperium in jeder erdenklichen Weise vergrößern. Nach der Krise durch die jüngsten Terroranschläge war er ins Tourismusgeschäft eingestiegen und kaufte billige Grundstücke an der Küste auf.
    Roland war endlich fertig. Knox half ihm die Leiter hinab ins Rote Meer und kniete sich dann hin, um ihm die Flossen zu reichen, die er im Wasser anziehen sollte. Der massige Deutsche wirbelte nach hinten wie ein Wasserrad, platschte auf die Oberfläche, lachte wie ein Verrückter und schlug auf das Wasser.
    «Einen Moment», sagte Knox gereizt. «Ich bin gleich bei Ihnen.» Er zog sich an, schnallte sich die Sauerstoffflasche um, hängte den Schnorchel um seinen Hals und nahm die Flossen. Als er die Leiter hinabstieg und gerade loslassen wollte, schaute er ein letztes Mal hoch zur Brücke. Hassan starrte ihn immer noch an und schüttelte in gespielter Enttäuschung den Kopf. Fiona stand neben ihm und hatte nervös ihre Arme vor der Brust verschränkt. Ihr Haar war zerzaust, ihre Schultern hingen elend hinab. Plötzlich sah man ihr das Alter an, oder vielmehr ihr fehlendes Alter. Ein Kind, das in einer Bar einen freundlichen Ägypter kennengelernt hatte und dachte, es hätte sich einen Gratisausflug verschafft, darauf vertrauend, sich mit Charme alle Erwartungen, die er vielleicht hatte, vom Halse halten zu können. Ihre weit geöffneten Augen schauten verloren und verängstigt, doch irgendwie auch voller Hoffnung, als glaubte sie, dass alles gut werden würde, weil die Menschen im Grunde gut sind.
    Für einen Augenblick stellte sich Knox vor, seine Schwester Bee würde dort stehen.
    Verärgert schüttelte er den Kopf. Das Mädchen war nicht Bee. Sie war erwachsen, sie traf ihre eigenen Entscheidungen. Beim nächsten Mal würde sie klüger sein. Er vergewisserte sich, dass niemand hinter ihm war, steckte den Atemregler in den Mund, biss fest darauf. Dann warf er sich rücklings in die warmen Fluten des Roten Meeres. Ohne sich noch einmal umzuschauen, führte er Roland Richtung Riff. Sie tauchten in nur vier Metern Tiefe, damit sie schnell an die Oberfläche konnten, sollte etwas schiefgehen. Ein tropischer Fisch beobachtete sie eindringlich, aber ohne Beunruhigung. Manchmal konnte man kaum unterscheiden, wer der Beobachter und wer der Beobachtete war. Ein von Engelsfischen umschwärmter Imperatorfisch drehte majestätisch ab. Knox wies Roland in übertriebener Tauchersprache auf ihn hin; Anfängern gefiel es immer, wie ein Kenner behandelt zu werden.
    Sie erreichten das Korallenriff, eine Wand aus Ocker und Purpur, die sich in der Finsternis verlor. Das Wasser war ruhig und ungetrübt, die Sicht war außerordentlich gut. Knox schaute sich gedankenlos um und sah den dunklen Rumpf des Bootes und die bedrohlichen Schatten großer Fische im tieferen, kälteren Wasser. Plötzlich musste er an den schlimmsten Tag seines Lebens denken, damals, als er seine Schwester nach dem Autounfall auf der Intensivstation in Thessaloniki besucht hatte, und er spürte einen stechenden Schmerz. Die Stimmung im Krankenzimmer war bedrückend gewesen, dieses Summen der lebenserhaltenden Maschinen, das unablässige Geräusch der Ventilatoren, der dumpfe, unsichere Puls der Kontrollgeräte, das respektvolle Friedhofsgeflüster des Personals und der Besucher. Die Ärztin hatte sich bemüht, ihn auf das Schlimmste vorzubereiten. Aber er war noch benommen gewesen
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