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Das goldene Ufer

Das goldene Ufer

Titel: Das goldene Ufer
Autoren: Iny Lorentz
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sehen aber nichts von der Schlacht. Woher kommt das?«
    »Das eigentliche Gefecht findet nicht weit vor uns statt, aber der Hügel dort vorne verhindert, dass wir auf das Schlachtfeld blicken können. Doch keine Sorge! Sobald wir den erklommen haben, bekommst du so viel Gemetzel mit, dass es für dein ganzes Leben reicht. Ich fürchte, eine härtere Schlacht wie diese gab es noch nie.«
    Heurich hatte sich anhand des Kanonendonners und der Musketensalven ein Bild gemacht, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Trotzdem stellte er sich mit den anderen Soldaten der Kompanie zur Gefechtslinie auf, als die Unteroffiziere den Befehl dazu gaben. Vier Kompanien schlossen sich ihnen an, während die restlichen vier eine zweite Kampflinie fünf Schritte hinter ihnen bildeten.
    Der Oberst sprengte auf seinem Hengst die Reihen entlang und schwang seinen Säbel. »Jetzt gilt es, Männer! Heute zahlen wir den Franzmännern heim, was sie uns und unserer Heimat angetan haben. Mit Gott für König und Vaterland!«
    Die Soldaten blieben stumm. Die Veteranen unter ihnen hatten schon zu oft gejubelt und dann fürchterliche Hiebe einstecken müssen, und die Rekruten fürchteten sich so vor dem Kommenden, dass einige sich sogar in die Hosen gemacht hatten. Ein Zurück gab es jedoch nicht mehr.
    »Trommler und Pfeifer zu mir!«, rief der Tambourmajor.
    Walther lief zu ihm und richtete unterwegs seine Trommel, um sie sofort schlagen zu können.
    »Achtung, im Gleichschritt marsch!« Die Unteroffiziere brüllten so laut, dass es nach Walthers Ansicht noch die Franzosen hören mussten. Dann erklang der Befehl, die Trommel zu rühren, und Walther schlug die ersten Takte.
    Das Regiment Renitz rückte in langsamem, aber stetem Schritt vorwärts. Der Oberst führte es hoch zu Ross an. Auch der Hauptmann der Kompanie saß auf seinem Gaul, während die anderen Hauptleute abgestiegen waren und ihren Männern zu Fuß vorausgingen.
    Auf halber Höhe des Hügels schickte Medard von Renitz seinen Sohn als Aufklärer vor. Der Fähnrich ritt nach oben, hielt dort sein Pferd an und starrte etliche Augenblicke über das Land. Dann wendete er den Gaul und winkte den Offizieren, die Truppen näher heranzubringen.
    »Schneller, ihr Hunde!«, schrie der Feldwebel und hieb mit seinem Stock auf ein paar Soldaten ein, die einen Schritt hinter den anderen zurückgeblieben waren. Der Klang der Trommeln übertönte nun die Kampfgeräusche, und Walther konnte sogar die Flöten so laut vernehmen wie selten zuvor. Wie ein Rausch packte ihn die Hoffnung, das Ganze rasch hinter sich bringen zu können.
    Kurz darauf hatten sie den Hügelkamm erreicht. Als Walther die unzähligen Leichen und Pferdekadaver sah, die starr und oft sonderbar verdreht auf dem blutgetränkten Boden lagen, verkrampfte sich alles in ihm vor Grauen, und er taumelte ein paar Schritte. Dann gelang es ihm, weiterzumarschieren.
    Ein Stück weiter vorne feuerten Batterien auf ein Karree aus Soldaten in blauen Röcken, während zur Rechten preußische Regimenter im Sturmschritt vorrückten und die Franzosen vor sich hertrieben. Kavallerie und Infanterie hatten sich in blutigem Nahkampf verkeilt, und der Tod hielt immer noch reiche Ernte.
    Für einige Augenblicke kämpfte Walther gegen die Vorstellung, am Abend ebenso starr und kalt dort vorne zu liegen. Dann aber holten ihn die Flüche, die die Soldaten um ihn herum ausstießen, in die Wirklichkeit zurück. Zuerst begriff er nicht, was los war. Dann aber entdeckte er die Franzosen, die sich anscheinend von den Engländern zurückzogen und dabei in ihre Richtung liefen. Es waren mehrere Bataillone, und ihnen standen nur die ausgedünnten Linien des Renitzschen Regiments gegenüber.
    »Halt!«, befahlen die Unteroffiziere auf eine Handbewegung des Obersts.
    Während Walther zu den Franzosen hinüberstarrte, fragte er sich, wo die Regimenter blieben, die vor und hinter ihnen marschiert waren. Dann fiel ihm ein, dass Gisela und die Frauen dem Feind schutzlos ausgeliefert sein würden, sobald dieser durchgebrochen war, und er wünschte sich tausend Arme und ebenso viele Musketen, um den Gegner aufzuhalten.
    »Erstes Glied vortreten! Legt an! Gebt Feuer!«, befahlen die Unteroffiziere.
    Eine in Walthers Ohren arg schwächliche Salve ertönte, und es fielen nur wenige der auf sie zurückenden Franzosen. Diese hatten mittlerweile erkannt, dass nur ein einzelnes, dezimiertes Regiment zwischen ihnen und dem rettenden Wald stand, und stürmten wild brüllend auf
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