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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Gerit Bertram
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auf den Eingang einer schmalen Gasse im Schatten des in den dunklen Himmel aufragenden Gotteshauses.
    »Dort hinein müsst Ihr«, erklärte der junge Mann. »Ist nicht weit. Für die Kutsche dürfte es aber zu eng werden. Die werdet Ihr wohl hier stehen lassen müssen.«
    »Das heißt also, ich muss die Nacht hier draußen verbringen«, brummte Karol und verzog das Gesicht, während die jungen Leute sich fröhlich schwatzend entfernten.
    »Wir können uns abwechseln«, bot Roman an, »ich übernehme gern die erste Wache.«
    »Ich löse dich ab«, versprach sein Bruder.
    Mit geübten Handgriffen band er sein Reittier vor einem mehrstöckigen Fachwerkhaus an einem Holzpfosten an. Roman tat es ihm gleich.
    »So kommt jeder von uns wenigstens zu ein paar Stunden Schlaf.«
    »Gut, dann lasst uns zusehen, dass wir noch eine Schlafstatt ergattern«, erwiderte Karol.
    Ein Nachtwächter, in der einen Hand einen Spieß, in der anderen eine Laterne und einen Strick, an dem er einen großen, struppigen Hund mit sich führte, trat aus der Gasse und kam geradewegs auf sie zu. »Gott zum Gruße«, sagte er, doch seine Stimme klang alles andere als freundlich. Argwöhnisch musterte der Mann die kleine Gruppe aus zusammengekniffenen Augen, warf ihnen einen letzten Blick zu und verschwand zwischen den Häusern.
    Während die Männer bei einigen Krügen Bier noch eine Weile zusammensaßen, zog sich Cristin mit Elisabeth in ihre Kammer über der Gaststube zurück. Eben schlug die Glocke von St. Martini die dritte Abendstunde. Sie mussten wohl tatsächlich froh sein, noch vor Einbruch der Nacht ein Schlafquartier gefunden zu haben. Die winzigen Räume hatten nur jeweils zwei Lagerstätten, doch da Karol, Mariusz und Roman abwechselnd bei der königlichen Kalesche und den Pferden wachten, reichten die beiden Betten in der Kammer der Männer aus.
    Elisabeth war schon den ganzen Nachmittag über unleidlich gewesen, aber als ihre Mutter versuchte, ihr mit einem feuchten Tuch wenigstens den gröbsten Schmutz vom Gesicht zu waschen, schrie sie auf. Cristin erschrak. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise konnte es die Kleine gut leiden, einigermaßen sauber zu sein. Doch an diesem Abend schien dem Kind nichts recht zu sein. Ihre Wangen waren feuerrot, und sie schrie zum Gotterbarmen, während Cristin sie mit einer Hand festhielt und mit der anderen das von Tränen und Straßenstaub verschmierte Antlitz abwischte.
    »Nun halt schon still, Elisabeth.«
    Als sie fertig war, hielt sie ihre Tochter ein Stück von sich ab, um sie genauer betrachten zu können.
    »Was hast du nur, du kleiner Quälgeist? Das sieht dir überhaupt nicht ähnlich.« Sie legte dem Kind eine Hand auf die Stirn und erschrak. Sie war warm, wärmer als gewöhnlich. Hatte Elisabeth etwa Fieber? »Schätzchen, es war ein langer Tag, wir sollten jetzt schlafen gehen«, sprach Cristin mit plötzlich zitternder Stimme auf die Zweijährige ein, ohne auf deren Gejammer einzugehen.
    Sie reichte Elisabeth noch etwas zu trinken, hob sie hoch und legte sie auf dem Bett nieder.
    »Nun schlaf schön. Morgen geht es dir sicher schon wieder besser.«
    Cristin beobachtete, wie das Weinen der Kleinen allmählich in leises Schluchzen überging und sie sich den Daumen in den Mund schob. Sie hockte sich vor die Schlafstatt, strich Elisabeth eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und registrierte bald darauf, wie das Köpfchen sich zur Seite neigte und der Daumen aus dem Mund rutschte. Wie zart ihre Haut war, wie sich die feinen rötlichen Haare um die Ohren kringelten. Ein Bild voller Unschuld.
    Wenn sie ihr Kind so betrachtete, konnte sich Cristin leicht vorstellen, wie Elisabeth als junge Frau einmal aussehen könnte. Sachte berührte sie die Wangen der Schlafenden. Auch sie waren zu warm. Cristin atmete tief ein. Kinder fiebern schnell, versuchte sie sich selbst zu beruhigen, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Handflächen feucht wurden. War es richtig gewesen, die Kleine unbedingt auf diese Reise mitnehmen zu wollen? Grenzte ihre Weigerung, sich abermals von Elisabeth zu trennen, nicht an Selbstsucht? Was war, wenn das Mädchen ernstlich krank wurde und weit und breit kein Medicus aufzufinden wäre? Mit Baldo hatte sie erbittert gestritten, um ihren Willen durchzusetzen. Bekam sie nun die Rechnung für ihr leichtsinniges Verhalten?
    Von Unruhe ergriffen erhob sich Cristin und trat an das kleine Fenster. Von hier aus hatte sie eine gute Sicht auf St. Martini und einige der
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