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Das Glücksbüro

Das Glücksbüro

Titel: Das Glücksbüro
Autoren: Andreas Izquierdo
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Hosentasche heraus und wischte sich damit über den Mund: Mayonnaise. Schon wieder.
    Mike nahm die Füße vom Tisch, erhob sich, legte wie Hercule Poirot die Arme auf den Rücken und sagte: »Diesmal bin ich mir sicher. Okay, kann sein, dass ich mit meiner Einschätzung gestern danebenlag, aber du musst zugeben, Elisabeth, da könnte auch ein Formationstänzer in ihm sein. Dieser Gang, dieser Swing …«
    Sie grinste, wurde aber gleich wieder ernst, als Albert zu ihr rübersah.
    »Aber jetzt bin ich mir sicher: Sie, Albert, sind überführt! Als Superheld!«
    Albert nickte: »Ja.«
    Mike triumphierte: »Ich wusste es!«
    Für einen Moment rührte sich niemand, dann legte Albert die Ordner auf Elisabeths Schreibtisch.
    »Danke, Albert, Sie sind ein Schatz.«
    Die Bürotür flog auf, Dr.   Wehmeyer betrat energisch den Raum und verlor nicht viel Zeit mit Höflichkeiten: »Morgen! Herr Schulze?«
    Mike nahm Haltung an: »Ja?«
    »Die Kostenübersicht, bitte.«
    »Natürlich.«
    Betont lässig ging er zu seinem Schreibtisch und griff mit einem triumphierenden Lächeln nach der obersten Schublade … abgeschlossen. Da half auch kein hektisches Rütteln.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Dr.   Wehmeyer.
    »Die Akte ist in meinem Schreibtisch«, antwortete Mike, der immer noch an der Schublade rüttelte.
    Albert nickte Dr.   Wehmeyer und Elisabeth zu: »Ich geh dann mal wieder.«
    Elisabeth erwiderte den Gruß freundlich, während Mike weiterhin am Griff zerrte, ohne jeden Erfolg. Albert betrat in aller Ruhe den Flur und hörte hinter sich die Stimmen der Kollegen, und mit einem Mal war ihm, als würden die beiden singen, als wären sie Teil einer komischen Oper, in der der jugendliche Held von dem herrischen Alten bedrängt wurde.
    »Was ist denn jetzt?«, schmetterte Dr.   Wehmeyer im schönsten Belcanto.
    »Sie ist da drin!«, schallte Mike zurück, jetzt schon mit einem Hauch Verzweiflung in der Stimme.
    »Dann schließen Sie halt auf!«
    »Der Schlüssel ist weg.«
    »Was Besseres ist Ihnen nicht eingefallen?«
    »Gestern war er noch da!«
    »Was kommt als Nächstes, Herr Schulze? Dass Ihre Katze die Hausaufgaben gefressen hat?«
    Die Stimmen wurden leiser und leiser, wirbelten wie Staub davon, während Albert in der anderen Hosentasche mit dem Schubladenschlüssel spielte und an Mayonnaise dachte.
    Gott, er liebte Mayonnaise.

3.
    Eigentlich hätte ihn der plötzliche Gesang überraschen müssen, aber Albert nahm den Umstand eher erfreut zur Kenntnis und so genoss er die schönen Stimmen, solange er sie hören konnte. Er wusste, dass das Amt für Verwaltungsangelegenheiten magisch war und dass so etwas an solch besonderen Orten durchaus vorkommen konnte, aber er stand mit dieser Meinung ziemlich alleine da, daher behielt er sie auch lieber für sich.
    Ein anderer besonderer Ort war sein Büro am Ende des Ganges.
    Albert Glück, VII.14 stand dort, und wenn man es öffnete, war es, als wäre die Zeit vor gut vierzig Jahren stehen geblieben, denn Albert hatte sich der allgemeinen Modernisierung des Amtes vor knapp zwanzig Jahren verweigert, und man hatte ihm gestattet, seine alten Büromöbel zu behalten.
    So war sein Büro das Einzige, das noch den Charme der Sechzigerjahre besaß: mit einem schmalen, aber aus massivem Holz gefertigten Schreibtisch mit einem Schubladenschloss, in das nur ein alter, großer Bartschlüssel passte. Der Aktenschrank war ebenfalls aus Holz und sah eher wie ein Kleiderschrank aus, der Besucherplatz ein Stuhl mit einer Hartschale und gebogenen Metallbeinen. Einzig einem Computer hatte sich Albert nicht verweigern können, und auch das Telefon war modern, denn mit den alten Wählscheiben war eine interne Verbindung nicht möglich.
    Es gab noch zwei offene Regale mit Hängeregister, darauf eine kleine Ordnerdrehsäule. Auf dem Schreibtisch drei Ablagekästen: links die Eingänge, in der Mitte die Ausgänge und rechts ein Fach für Wiedervorlage. Alle drei waren leer, weil Albert grundsätzlich alle Arbeit, die ihm aufgetragen wurde, ordnungsgemäß, penibel korrekt und umgehend erledigte. Ansonsten lag nur noch ein Kugelschreiber auf der Schreibtischunterlage, darüber hinaus nichts.
    Öffnete man die Aktenschränke, so konnte man die perfekte Anordnung der Aktenordner bewundern, die bis auf den Millimeter in Reih und Glied standen und nach Referaten, innerhalb der Referate nach dem Alphabet, innerhalb des Alphabets nach Nummern geordnet waren. Auffällig war, dass es in Alberts Büro keine
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