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Das Glück der Zikaden

Das Glück der Zikaden

Titel: Das Glück der Zikaden
Autoren: Larissa Boehning , Pößneck GGP Media GmbH
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Asphalt blieben hinter ihnen, die Tür mit ihren Borsten schloß das Draußen aus, eine Atmosphäre wie unter einer Filzdecke umfing sie. Die Menschen, die mit ihnen in diesem Raum waren, flüsterten verhalten. Waren sie zu spät im Theater? Nur waren die Eingangshallen, die Foyers von Theatern keine Orte, an denen geflüstert wurde. Vielleicht waren sie alle zu spät. Aber warum, dachte sie dann, sollte ein Theater der Ort sein, an dem Richard sich heimisch fühlte?
    »Gib doch mal einen kleinen Tip«, sagte Katarina, Richard räusperte sich und atmete hinter ihrem linken Ohr durch beherrschte Lippen aus.
    Sie ging einige vorsichtige Schritte, spürte den Teppich unter den Sohlen, opulent und zum Einsinken wie ein Golfrasen, über den man barfuß ging. Warum flüsterten alle so beharrlich? Vor wem galt es sich hier zu ducken? Auf wen sollte man Rücksicht nehmen? Die Bewegungen der Menschen im Raum, ihre Schritte, wurden vom Teppich geschluckt, sie spürte nur, daß einige Körper um sie herum waren. Hier und da der Windhauch eines getuschelten Satzes, das changierende Rascheln eines Chiffonkleides, das Schnarren einer festen Strumpfhose zwischen den Oberschenkeln. Neue, ungetragene Ledersohlen, die noch Quietschten beim Biegen. Also Männer und Frauen. Anzüge und Halbdurchsichtiges. Endlich, von weiter weg, ein verschämtes Kichern, die Nervosität einer Frau, die das, was sie hier an diesem Ort zu tun bereit war, eher als etwas Verbotenes, Ungehöriges zuempfinden schien, oder es zum ersten Mal machte. Ein nicht minder nervöses, aber herrschsüchtiges Husten vom anderen Ende, dann zwei vertraut miteinander Flüsternde, dann Richard, der Katarina ihre Handtasche aus der Hand nahm, die verschlungenen Metallköpfchen klackten, sie sagte, wenn er ein Taschentuch brauche, könne er sie auch gerne fragen. Er sagte: »Ach, ich habe nur einen Stift gesucht, Liebste, kannst du hier mal eben deinen Namen aufschreiben, damit alle wissen, wer du bist?« Er führte ihre Hand, sie schrieb. Sie lächelte, wer auch immer ihr dabei zusah.
    »Bitte, mein Herr«, sagte eine Sekretärinnenstimme. Etwas scharrte, Plastik auf Holz, Katarina meinte, Richards plötzlich eilige Bewegungen neben sich zu spüren, sie wollte ihn beruhigen und tastete nach seinem Gesicht. Aber da stand sie wohl schon allein mit der Hand in der Luft, aufrecht und unbeirrbar, eine Königin, die von einem Balkon ein nicht vorhandenes Volk grüßt.
    Da sie niemanden mehr in ihrer Nähe spürte, fragte sie laut: »Und wo gehe ich jetzt hin?«
    »Da hinten, hinter Ihnen, nicht zu verfehlen«, sagte die Sekretärinnenstimme, und Katarina war sich plötzlich sicher, daß diese Frau jenseits einer Trennwand saß, vielleicht in einem Glaskasten, einem Schalterraum, von so weit weg kam sie zu ihr herüber.
    Sie drehte auf der Hacke um, so wußte sie, daß sie da war, wo sie sein sollte, und setzte einen Schritt vor den nächsten, in einer Art konzentriertem Frohsinn, um nicht wie ein besoffener Matrose gegen Wände zu laufen.
    Es waren die Geräusche, das leise Klimpern, das Plätschern unversiegbarer Springbrunnen. Der Teppich unter den Sohlen blieb behaglich und schluckte. Das Flüstern der Menschen, das ersetzt wurde durch präzis formulierte Befehle, und plötzlich wußte sie, wo sie war. Jetzt hörte sie das Klappern des Plastikgeldes, das immergleiche Kreisen des Spiels.
    Der Springbrunnen, der alles in Fluß hielt. Die mechanische Perfektion des Kessels, darin eine Perle, die das Geheimnis des Glücks enthielt. Die Jetons am verlängerten Messingarm, wie sie sich leichtfüßig dem Einsammeln fügten. Klapp-klapp, die Türmchen aus Plastik, auf- oder abgebaut, auseinander- oder zusammengesetzt, ein kleiner Lauf, wie einige von ihnen in einer Hosentasche durch die Finger rauschten, als bete einer sie als Rosenkranz gegen die Nervosität. Dieses lustige Plastikgeld, das so wunderbar seinen wahren Wert verbarg, seine fröhlichen Farben konnte Katarina im Schwarz vor Augen sich denken.
    Die Menschen schienen verstummt im Angesicht des Spiels, konzentriert mit dem Hoffen, Gewinnen und Verlieren beschäftigt. Sie dachte das erste Mal darüber nach, wie es wäre, wenn sie das Tuch von den Augen nähme, aber sie wußte sofort, sie wollte Richard hören und riechen, ihn gar nicht sehen, sie war sich sicher, sie würde ihn finden, im Saal. Sie setzte einen Schritt vor den nächsten, weg vom Kreisrund und der Perle, hin zu einem Ort, wo Papier schnalzte, Karten auf Grün
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