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Das gläserne Paradies

Das gläserne Paradies

Titel: Das gläserne Paradies
Autoren: Petra Durst-Benning
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Kindsvater wohl endgültig geklärt«, murmelte der Beamte und kritzelte etwas in das vor ihm liegende Formular.
    Wanda seufzte erleichtert auf. Gleich würden sie es geschafft haben. Ob sie den Herrn wohl bitten konnte, das Fenster ein wenig zu öffnen? Etwas Luft täte ihr gut und –
    Â»Und Ihre Mutter? Wo ist die eigentlich?«
    Verwirrt und auch eine Spur ängstlich schaute Wanda den Beamten an. Sylvies Mutter? Glaubte der Mann immer noch nicht, daß sie Sylvies Mutter war?
    Johanna räusperte sich. »Wir erwarten Wandas Mutter in den kommenden Wochen. Sie kann es kaum erwarten, ihre Tochter wieder in die Arme zu schließen. Auf ihr Enkelkind freut sie sich natürlich auch – eine große Versöhnung steht uns also ins Haus, Sie verstehen?«
    Der Mann beugte sich erneut über die Geburtsurkunde und murmelte dabei etwas von »liederlichen Verhältnissen«. Im nächsten Moment schob er das Dokument über den Tisch.
    Â»Sylvie Miles, geboren am 21. Mai 1911 in Genua, Mutter Wanda Miles, Vater unbekannt – das macht drei Mark vierzig, zahlbar gleich im Zimmer nebenan, dort bekommen Sie auch eine Quittung über diesen Betrag.«

2. K APITEL
    Nachdem sich ihr Aufenthalt im Sonneberger Rathaus so lange hingezogen hatte, war der Zug, der die drei nach Lauscha hätte bringen sollen, längst abgefahren. Bis der nächste Zug fuhr, blieb ihnen noch eine gute Stunde Zeit. Johanna schlug vor, in eine nahe gelegene Wirtschaft zu gehen. Wanda hätte lieber auf dem Bahnsteig gewartet, willigte aber schließlich ein. Es war zwar ein sonniger Tag, doch der Wind kam aus Osten und war frisch – zu frisch, um sich mit einem Säugling über eine Stunde lang auf einem zugigen Bahnsteig die Beine in den Bauch zu stehen.

    Â»Puh, das wäre geschafft!« Johanna umklammerte ihre Kaffeetasse, als befände sich darin das kostbarste Lebenselixier.
    Â»Was für ein schrecklicher Mensch!« sagte sie zwischen zwei Schlucken. »Dieser unverschämte Ton – unter anderen Umständen hätte der etwas von mir zu hören bekommen! Nun ja, was soll’s …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jedenfalls haben wir erreicht, was wir wollten. Du bist Mutter, und ich weiß nicht, ob ich dir dazu gratulieren soll! Herr im Himmel, wo du noch nicht einmal volljährig bist …« Ein tiefer Seufzer folgte.
    Â»Aber in einem Jahr bin ich’s!« sagte Wanda. Nachdem sie sich versichert hatte, daß Sylvie noch immer selig in ihrem Kinderwagen schlief, trank auch sie in Ruhe ihren Kaffee. Früher hatte sie das schwarze Gebräu nicht ausstehen können, aber in den Monaten, in denen sie bei Johanna und ihrer Familie gelebt hatte, änderte sie ihre Meinung. Eine Tasse Kaffee war für sie nun nicht mehr ein etwas bitteres Heißgetränk, sondern bedeutete einbißchen Luxus in einem sonst nicht gerade luxuriösen Haushalt. Wanda schloß für einen Moment die Augen. Als sie die Lider wieder hob, sah sie, daß Johanna leise weinte.
    Â»Wenn Marie nur nicht mit diesem schrecklichen Mann auf und davon gegangen wäre!« brach es unvermittelt aus ihr hervor. Sie preßte eine Hand vor den Mund und blinzelte heftig.
    Â»Ach, Tante …«, sagte Wanda hilflos. Sie vermißte Marie so sehr, daß es weh tat, und hätte manchmal vor Wut über ihr Schicksal toben können. Warum ausgerechnet sie?
    Marie, die Glasbläserin, deren Gesicht stets mit einem Hauch Glitzerstaub überzogen war. Marie, mit ihrer Gier nach Leben! Verscharrt in einer Steinwand auf einem Friedhof in Genua.
    Nur eine Handvoll Menschen hatte der Beerdigung beigewohnt. Alles war eiligst in die Wege geleitet worden, das sähen die italienischen Gesetze so vor, hatte die Contessa Wanda erklärt. Doch sicher hatte die Eile eher damit zu tun gehabt, daß Francos Familie zusammen mit Marie auch alle unangenehmen Fragen seitens der örtlichen Behörden begraben wollte.
    Â»Und dann diese Geschichte heute! Jetzt gibt es kein Zurück mehr, das ist dir doch wohl klar?« platzte Johanna in Wandas Gedanken und wischte sich die Tränen fort. »Mir wäre ehrlich gesagt wohler gewesen, wenn wir mit dem Gang aufs Amt gewartet hätten, bis deine Mutter da ist. Ich meine, eigentlich hätte sie ja in dieser Angelegenheit auch noch ein Wörtchen mitzureden gehabt, oder?« Sie verdrehte die
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