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Das Gift des Boesen

Das Gift des Boesen

Titel: Das Gift des Boesen
Autoren: Vampira VA
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länger als das Haus überhaupt sein kann. Schließlich steigen wir eine Treppe hinab in ein Gewölbe, das groß ist wie ein Kirchenschiff.
    Nirgends brennt ein Licht, und dennoch ist es nicht dunkel. Von der Decke hängen straffe Fäden herab, zu viele, als daß ich Lust verspürte, sie zu zählen. Und an einem jeden Faden hängt etwas, das aussieht wie die Beute, die eine Spinne in ihrem Netz eingesponnen hat, um den Inhalt des Kokons später aufzufressen. Nur daß diese Gespinste . groß sind. Und genügend transparent, daß man in ihr Inneres blicken kann.
    »Warum zeigst du mir das ...?« Meine Stimme versagt. Der Anblick der eingesponnenen Kindsleichen greift selbst mir ans Herz. Ich räuspere mich und überwinde die Schwäche, die mich mundtot machen wollte. »Was hast du mit ihnen getan - und warum?«
    »Du willst es wissen?« Er steht am Ende der Treppe, drei Stufen unter mir, und trotzdem überrage ich ihn nicht. Er scheint es tatsächlich nicht zu ertragen und nicht zulassen zu wollen, daß ihn irgend jemand an Größe übertrifft. Er hat, so scheint's, bei aller Macht, die in ihm pocht, ein höchst kleinliches Gemüt.
    »Würde ich sonst fragen?«
    Der Stahl seiner Mimik gerät in Bewegung. Was ich ihm eben noch absprach, geschieht: Er lächelt fast warm, fast - menschlich.
    »Ich habe sie geholt, weil ich Mitleid mit ihnen hatte«, sagte er. Und nach einer kurzen Pause: »Glaubst du das?«
    »Nein.«
    Er nickt. »Du hast recht. Mitleid ist mir fremd. Nur sterbliches Gewürm kann glauben, es sei eine Tugend, mit anderen leiden zu können . Du bist nicht sterblich - nicht mehr. Du müßtest wissen, wovon ich rede.«
    »Bist du wirklich so verächtlich, wie du dich gibst?«
    »Natürlich.«
    »Aber du willst mir nicht sagen, wer du bist?«
    »Eines Tages wirst du es erfahren. Du und ich, wir waren schon miteinander verbunden lange vor dem Tag, da du den Weg zu mir fandest.«
    »Das glaube ich nicht. Oder bist du am Ende . mit meinem Vater verwandt?«
    »Pierre?«
    Er kennt seinen Namen!
    »Verwandt ...?« fährt er fort. »Was für ein köstlicher Gedanke!«
    »Sag es!« Zorn erwacht und wühlt in mir, und ich habe nicht einmal einen Gedanken übrig, um mich zu wundern, daß mein unterwürfiger Körper an diesem Punkt mir wieder Untertan ist und die Fäuste ballt.
    »Nein, wir sind nicht verwandt, was bildest du dir ein!«
    »Aber du kanntest ihn! Hatte er Brüder? Leben noch Angehörige?«
    »Nach all der Zeit?« Der Herr des Hauses schüttelt den Kopf. »Vielleicht hättest du früher kommen sollen . Aber dann wäre ich nicht da gewesen.«
    Was weiß er noch von mir? Mich schaudert. »Mein Vater war ein Werwolf .«
    »Ich weiß.«
    »Er gab den Fluch an mich weiter.«
    Er verblüfft mich, indem er abermals verneint und behauptet: »Nicht er gab ihn weiter.«
    Verständnislos starre ich ihn an und vergesse fast, welches makabre Bild mich umgibt. »Nicht er ...? Wer dann?«
    »Du hast viele Fragen«, unterbricht er mich. »Dabei wollte ich dir nur das hier zeigen.«
    »Tote Kinder...«
    Ich versuche ihm zu zeigen, wie verwerflich selbst ein Geschöpf wie ich es findet, Kindsleichen auszugraben und sie zu verschleppen.
    »Was tot ist, muß nicht tot bleiben«, hält er mir entgegen.
    »Du willst sagen ...?«
    »Es ist nicht leicht, den Funken, der noch in ihnen brennt, zu finden und zu schüren«, räumt er ein. »Aber das Leichte ist selten von Wert. Sie ...«, er umschließt alle hier aufbewahrten Kinder mit seiner Geste, ». werden wieder leben! Hättest du sie sterben lassen, sie, die noch nichts vom Leben hatten?«
    »Nein .«
    »Siehst du! Aber Er ... Er hat es zugelassen. Seine Abwesenheit entschuldigt nicht, daß es in Seinem Plan geschehen kann, daß unschuldige Kinder sterben, oder?«
    Den Buckligen verstand ich falsch, aber von wem sein Herr hier spricht, ist kaum zu mißdeuten. »Wer so redet wie du, der glaubt normalerweise nicht an die Existenz eines Gottes ...«
    »Ich entspreche in vielem nicht der Norm.«
    »Das ist mir auch schon klargeworden.«
    »Gut. Dann geh jetzt wieder.«
    »Ich kann - gehen?« Mein Blick wandert von einem Kokon zum anderen, als wollte auch er nicht glauben, daß dies alles ist, was ich über die Bedeutung dieses Ortes erfahren soll.
    »In das Zimmer«, dämpft er meine Erwartung, »das ich dir zugewiesen habe.«
    »Du willst mich hierbehalten?«
    »Nicht auf Dauer.«
    Das ist ein dehnbarer Begriff, aber sein Ton verrät, daß Konkreteres nicht von ihm zu erwarten
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