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Das Geschenk: Roman

Das Geschenk: Roman

Titel: Das Geschenk: Roman
Autoren: David Baldacci
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legendären Pullman-Begleitern, die gewaltige Trinkgelder einstrichen, wie man sich erzählte. In seiner langen Geschichte hatte der Cap Könige und Prinzen, Präsidenten und Filmstars, Politiker und Industriemagnaten von Chicago nach D.C. und zurück befördert. Die Geschichten, die von diesen Reisen erzählt wurden, machten einen großen Teil der Legenden aus, welche die Eisenbahn umrankten. Tom hätte eine steile Karriere als Gesellschaftsreporter machen können; er hätte nichts anderes tun müssen, als über die frivolen Späße und Abenteuer der Fahrgäste auf dieser Strecke zu schreiben.
    Aufgrund der familiären Verbindung und des großen Interesses seines Vaters an Mark Twain hatte Tom sich in das Leben, das Werk und den Witz des Schriftstellers vertieft. Als Vorbereitung auf seine Transkontinentalreise hatte er noch einmal Die Arglosen im Ausland gelesen, Twains Schilderung einer fünf Monate währenden Fahrt auf dem Dampfschiff Quaker City von Europa ins Heilige Land. Für Tom war es eins der spaßigsten und respektlosesten Reisebücher, die je geschrieben worden waren. Wenn man sich Sam Clemens – damals eine grobknochige Erscheinung frisch aus dem Wilden Westen und noch weit entfernt von dem weltberühmten, feinsinnigen Vertreter der schreibenden Zunft, zu dem er sich später entwickeln sollte – in Gesellschaft einer Schiffsladung frommer Bewohner des Mittleren Westens auf ihrem ersten Ausflug in die Alte Welt vorstellen kann, wird schnell deutlich, welche ungeahnte Konstellationen sich daraus ergeben konnten. Tom ging zwar nicht nach Übersee, doch in vieler Hinsicht kam er sich wie ein Pilger im eigenen Land vor; denn ironischerweise hatte er von der gesamten restlichen Welt mehr gesehen als von Amerika.
    Der Capitol Limited würde D.C. um genau 16:05 Uhr verlassen, zwischen Washington und Chicago zwölfmal halten und am nächsten Morgen pünktlich um 9:19 Uhr in der Windy City eintreffen. In Chicago hatte Tom Aufenthalt bis zum Nachmittag; dann würde er in den Southwest Chief steigen und nach LA weiterfahren. Es war ein guter Plan, und er brachte ihn mehr in Schwung, als ein Artikel über die beste Methode, die Stechpalme im eigenen Garten zu beschneiden, oder den günstigsten Zeitpunkt, die heimische Sickergrube auszupumpen, es je vermocht hatte.
    Tom holte die Fahrkarten vom Schalter, vertraute seine Skiausrüstung dem Angestellten vom Gepäckservice an – Lelia und Tom wollten die Weihnachtsfeiertage auf den bestens präparierten Schneehängen von Tahoe verbringen – und bewunderte die Pracht der Union Station, die beinahe der Abrissbirne zum Opfer gefallen wäre, ehe sie wieder zum Leben erweckt worden war. Ende der Sechziger- bis Anfang der Siebzigerjahre hatte das Gebäude als Nationales Besucherzentrum gedient – im Grunde bloß eine armselige Dia-Schau in einer Riesenbruchbude, die keiner mehr besuchte. Nach dieser als Verlust abzuschreibenden Investition von 30 Millionen Dollar wurde das besucherlose Besucherzentrum bis auf einen winzigen und an vielen Stellen undichten Teil des Gebäudes geschlossen – einen Teil, in dem man tatsächlich in einen Zug steigen konnte.
    Im Jahre 1945, bei der Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg, war Toms Vater auf dem Heimweg durch dieses Bahnhofsgebäude geschritten. Als Tom nun durch die reichhaltig verzierten, großzügigen Marmorhallen schlenderte, stellte er sich vor, wie sein Vater voller Optimismus in die Sicherheit des Zivillebens zurückgekehrt war, nachdem er mitgeholfen hatte, die Welt vor der Tyrannei zu bewahren – mit nicht mehr als einem Gewehr und jugendlichem Schwung. Irgendwie erschien es passend, dass Tom seine Reise ausgerechnet hier begann, da sein Vater an dieser Stelle ein Leben abgeschlossen und ein neues angefangen hatte. Was das betraf, konnte der Sohn nur hoffen, es dem Vater ähnlich erfolgreich nachzumachen.
    Tom nahm sich ein paar Minuten Zeit, um sich die beeindruckende, weihnachtlich geschmückte Modelleisenbahn anzuschauen, die am westlichen Ende der Haupthalle aufgebaut worden war. Dort wimmelte es von Kindern und Erwachsenen, die von den Modellzügen angelockt wurden, welche bis ins kleinste Detail ihren großen Vorbildern nachgebaut waren und durch sorgfältig gestaltete städtische und ländliche Szenerien flitzten. Eisenbahnzüge hatten unleugbar eine starke nostalgische Anziehungskraft, der sich nicht einmal jene Amerikaner entziehen konnten, die noch nie in einem solchen Zug gesessen hatten. Bei diesem Gedanken
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