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Das Geschenk: Roman

Das Geschenk: Roman

Titel: Das Geschenk: Roman
Autoren: David Baldacci
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war – sorgte dafür, dass Tom sich wunderbarerweise, wenn auch ein wenig eitel, als etwas Besonderes fühlte.
    Kurz bevor Toms Vater starb, hatte er seinen Sohn gebeten, etwas zu beenden, das Mark Twain der Legende zufolge nie geschafft hatte. Wie Toms Vater erzählte, hatte Twain, der wahrscheinlich mehr gereist war als alle seine Zeitgenossen, während seiner späteren, den so genannten dunkleren Lebensjahren einst eine weihnachtliche Eisenbahnfahrt quer über den Kontinent unternommen. Offensichtlich wollte er angesichts der Tragödien, die ihn und seine Familie heimgesucht hatten, in der Welt noch einmal etwas Schönes, Gutes sehen. Angeblich hatte er sich umfangreiche Notizen über diese Reise gemacht, sie aus irgendeinem Grund aber nie zu einer Geschichte verarbeitet. Genau darum war Tom von seinem Vater gebeten worden: Mach die Eisenbahnfahrt, mein Sohn, schreib die Geschichte, beende, was Mark Twain nicht beendet hat, und mach dem Langdon-Zweig der Familie alle Ehre.
    Damals hatte Tom gerade eine hektische vierundzwanzigstündige Flugzeug-Odyssee aus Übersee hinter sich gebracht, um seinen Dad noch einmal zu sehen, ehe dieser starb. Als Tom die gemurmelte Bitte seines Vaters hörte, verschlug es ihm die Sprache. Zu Weihnachten in einer Eisenbahn quer durchs Land fahren, um etwas zu beenden, das Mark Twain angeblich nicht beendet hatte? Anfangs hatte Tom geglaubt, sein Vater habe in den letzten Zügen gelegen und fantasiert; deshalb war der Wunsch von Langdon senior bisher unerfüllt geblieben. Nun aber, da Tom sich auf dem heimatlichen Kontinent nicht mehr per Flugzeug fortbewegen konnte – es sei denn, man hätte ihm die Fingerabdrücke abgenommen und ihm Handschellen angelegt –, würde er endlich die Eisenbahnfahrt für seinen alten Herrn machen. Und vielleicht auch für sich selbst.
    Auf fast dreitausend Meilen Amerika würde er versuchen, sich selbst zu finden. Er würde diese Reise in der Weihnachtszeit unternehmen, weil sie allgemein als Zeit der Erneuerung galt und für Tom die vielleicht letzte Chance war, seinem Leben, das er so sehr verpfuscht zu haben schien, doch noch zu einer gewissen Bedeutung zu verhelfen.
    Er würde es auf jeden Fall versuchen.
    Hätte Tom gewusst, wie nachhaltig das Ereignis, das ihm zwei Stunden nach Besteigen des Zuges widerfuhr, sein Leben verändern sollte, wäre er wohl lieber zu Fuß nach Kalifornien gegangen.



KAPITEL 2
    Als Tom vor der Union Station in Washington, D.C., wo seine Reise begann, aus dem Taxi stieg, dachte er an die wenigen Eisenbahnfahrten, die er innerhalb der Vereinigten Staaten unternommen hatte. Sie alle hatten ihn entlang des Nordostkorridors geführt – auf Strecken zwischen Washington, New York und Boston –, mit modernster Amtrak-Technik, den Acela-Hochgeschwindigkeitszügen. Schnell, schnittig und geräumig, konnten diese Züge es durchaus mit ihren europäischen Vettern aufnehmen. Sie verfügten über raffinierte Glastüren, die aufglitten, sobald man sich ihnen näherte, wodurch Tom sich stets an die Kommandobrücke des Raumschiffs Enterprise erinnert fühlte. Und in der Tat – als er das erste Mal mit dem Acela fuhr und die Türen sich automatisch für ihn öffneten, hielt er unwillkürlich nach einem Vulkanier in der Dienstuniform der Sternenflotte Ausschau.
    Tom hatte ein Schlafwagenabteil im Capitol Limited reserviert, der ihn von D.C. nach Chicago bringen würde. Allerdings musste er einen weiteren Fernzug benutzen, um an die Westküste zu gelangen: Der Capitol Limited bewältigte das erste Teilstück, und der ehrwürdige Southwest Chief befuhr den zweiten und viel längeren Abschnitt. Der Capitol Limited hatte eine sagenumwobene Geschichte, da er Teil der berühmten Baltimore- und Ohio-Linie war. Die B&O war die erste zivile Eisenbahngesellschaft in den Vereinigten Staaten gewesen und konnte auch für sich in Anspruch nehmen, die erste Linie gewesen zu sein, die Fahrgäste befördert hatte.
    Der »Cap«, wie der Limited liebevoll genannt wurde, hatte schon immer als stilvollster und elegantester Fernreisezug der USA gegolten. Er hatte sich früher eines Speisewagens rühmen können, in dem Gerichte wie Hummer Newburg auf kostbarem Porzellan aufgetragen worden waren; die Getränke wurden in echten Kristallgläsern ausgeschenkt, und es gab spektakuläre zweistöckige Aussichtswagen, von denen man aus hoher Warte beobachten konnte, wie die Landschaft vorüberzog. Außerdem zog der Cap die riesigen Pullman-Waggons mit den
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