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Das Geld - 18

Das Geld - 18

Titel: Das Geld - 18
Autoren: Émile Zola
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überschwemmt durch zahlreiche neue Emissionen von Wertpapieren, so daß die Zinssätze für die Reportgeschäfte sprunghaft in die Höhe gingen, die Haussespekulanten sich dadurch vor Kreditschwierigkeiten sahen und das flüssige Kapital auf dem Markt knapp wurde. In dieser Finanzkrise löste der Sturz einer Lyoner Bank auch das Debakel der Union aus.
    Die anderen Pariser Bankhäuser versuchten zunächst noch, den Krach der Union aufzuhalten. Doch stützten sie sie nur so lange, bis sie nicht mehr ernsthaft in den Zusammenbruch hineingezogen werden konnten. Damit war das Schicksal der Union besiegelt. Am 30. Januar 1882 mußte sie ihre Zahlungen einstellen. In diesem Augenblick erfolgte zugleich eine Anzeige eines gewissen Lejeune gegen die Union wegen unkorrekter Geschäftsführung. Daraufhin wurden Bontoux und Feder verhaftet, nach wenigen Tagen aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Zu fünf Jahren Gefängnis und 3000 Francs Geldbuße verurteilt, verließen beide Frankreich, um der Strafe zu entgehen. Die Schnelligkeit, mit der die letzten Ereignisse abrollten und die Staatsorgane reagierten, ließ den Verdacht aufkommen, daß die Regierung froh war, sich dieser Bank zu entledigen und dadurch der latenten Krise schneller und leichter Herr zu werden. Bontoux hat die Dinge später so darzustellen versucht, als wäre die Union einem Komplott der Regierung mit der jüdischen Hochfinanz und einer in ihrem Auftrag agierenden Baissiersgruppe erlegen. Tatsächlich wurde der Bankrott der Union durch ihre eigenen Geschäftspraktiken, unter anderem auch durch den massenhaften Verkauf ihrer Aktien seitens der eigenen Aktionäre, herbeigeführt.
    Vergleicht man diese Vorgänge und die ganze Entwicklung der Union mit den von Zola im Roman dargestellten Ereignissen, so liegen die Parallelen auf der Hand, angefangen von dem affichierten Charakter des Unternehmens als einer »katholischen« Bank über die im Verwaltungsrat vertretenen Kreise, die soziale Zusammensetzung der Aktionäre und ihre geographische Streuung, die Gründung von Filialen und die Beteiligung an industriellen Unternehmen, an großangelegten Transaktionen und Investvorhaben bis hin zur Lebenszeit von vier Jahren, den Einzelheiten der Kapitalerhöhungen und der Kurssteigerungen, den Unregelmäßigkeiten der Geschäftspraktiken, ja bis zu den Peripetien des Zusammenbruchs und der gerichtlichen Verfolgung der beiden Hauptschuldigen.
    Die mit Aufstieg und Zusammenbruch der Universelle in die sechziger Jahre zurückprojizierte Prosperitätskurve der Union stimmt allerdings nicht mit der realen Entwicklung auf dem Geldmarkt und an der Börse in diesen Jahren überein. Die Jahre 1863/64 waren von einer leichten Belebung der Börsengeschäfte gekennzeichnet. 1865 gab es Symptome einer Krise – Saccards Universelle hingegen erlebt im zweiten Jahr ihren kontinuierlichen Aufstieg. 1866 gab es eine kurze, aber wirkliche Hausse nach den Ereignissen von Königgrätz, 1867 dafür den Zusammenbrach des Crédit Mobilier der Brüder Péreire – während Saccard in diesem Jahr den triumphalen Anstieg seiner Aktien auf den Schwindelkurs von 3000 Francs erlebt. Im darauffolgenden Jahr 1868 kam es zu einer anhaltenden Hausse – Saccards Bank dagegen bricht infolge einer ins gleiche Jahr verlegten Krise auf dem Finanzmarkt zusammen.
    Diese Diskrepanz zwischen der realen ökonomischen Entwicklung dieser Jahre und der Finanzentwicklung der Universelle wird jedoch völlig überspielt von dem Eindruck historischer Echtheit, den die Hereinnahme der authentischen historischen Vorgänge erzeugt, mit denen die Ereignisse um die Universelle ständig verschränkt werden.
    Zola hatte ja selbst gesagt, daß er in diesem Roman die politische Krise studieren wolle, die dem Zusammenbruch des Kaiserreichs vorausging und Napoleon III. zwang, sein autoritäres Regime in den letzten Jahren zu liberalisieren. Diese taktische Schwenkung der Regierungspolitik hatte schon in dem Roman »Seine Exzellenz Eugène Rougon« eine Rolle gespielt. Im »Geld« erscheinen die innenpolitischen Korrekturen als Auswirkungen der wachsenden Opposition vor allem seitens der liberalen Bourgeoisie, aber auch schon kleinbürgerlicher Schichten und der Arbeiterklasse, die sich zu organisieren beginnt, insbesondere aber als Rückwirkungen auf Napoleons Außenpolitik. 1864, im Jahr der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation in London, war bei den Nachwahlen zum Parlament ein Vertreter der Arbeiter gewählt worden,
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