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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)
Autoren: Dieter Nuhr
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des 21. Jahrhunderts, garantiert dann ein Überleben in Würde. Mein Tipp: Rechten Fuß bis zum Autoboden durchdrücken und geradeaus fahren – in belebten Gegenden hupen, um Kinder beiseitezuscheuchen!
    Menschen, die in Tempo-30-Zonen mit 27 vor sich hinzuckeln, erzeugen in mir einen unbedingten Zerstörungswillen. Ich weiß, das ist falsch, moralisch untragbar, ökologisch bedenklich und menschlich niederträchtig – aber verständlich, denn unsere Lebenszeit ist begrenzt. Wer hier auf die Straßenverkehrsordnung als oberste Instanz des menschlichen Zusammenlebens verweist, sollte einmal Ernst Jüngers In Stahlgewittern lesen. Nicht dass ich die Lektüre empfehlen würde, es ist schrecklich: testosterongesäuerter Existenzkitsch, geboren aus gestörtem Sexualtrieb, Heroisierung des Überlebenskampfes als Ersatzbefriedigung, krank. Meine Empfehlung ist vielmehr: Fahr zu!
    07 50
„Padumm! Padumm!“
    ignorier
    07 52
Warum denke ich in diesem Augenblick daran, dass ich die Kiste mit den Gewürzen aufräumen könnte? Man erkennt daran, wie sprunghaft der menschliche Geist ist, vor allem, wenn er unbeschäftigt ist, da die Person, mit der er verbunden ist, an die Decke starrt.
    Das kleine Plastiktütchen mit Kreuzkümmel hat allerdings wirklich schon bessere Jahrtausende erlebt. Sein Inhalt war damals jung und würzig. Dann kam die Wende. Heute riecht der Beutel immer noch nach Orient, aber man wird das Gefühl nicht los, sein seit Jahren überschrittenes Verfallsdatum weist darauf hin, dass sich im Pulver dem menschlichen Auge unsichtbare vielfüßige Kleintiere angesiedelt haben könnten. Mikroskopische Insekten sind dreist, sie fühlen sich sicher, weil sie dem Auge aufgrund ihrer Winzigkeit verborgen bleiben. Pilze machen sich breit. Erreger wollen erregen. Fort! Fort!
    Wahrscheinlich ist der Mülleimer kein sicherer Ort. Unangenehme Tiere können unbemerkt Plastikwände hochlaufen, weil sie mehr Beine haben als eine Fußballmannschaft. Sie schleichen, asseln sich heran, ruck, zuck bevölkern sie erst Magen und Darm und dann die restlichen Innereien, um am Ende abzubiegen Richtung Leber, wo sie sich eines heiteren Lebens erfreuen, das für sie erst endet, wenn ein Spenderorgan frei wird. Der Leberkranke freut sich über das gebrauchte Stück und beginnt ein neues Leben.
    Ist nicht alles am Ende ein Kreislauf aus Abschied und Wiederkehr?
    07 54
Körperpflege. Ich habe zwar heute nichts vor, dennoch will ich mich reinigen. Auch ein Auto will ab und zu gewaschen werden, auch an Tagen, an denen es nicht mehr weit fahren soll. Es soll ja nicht kariös werden. Zähne müssen zwar nicht zum TÜV, sind aber in der Wiederbeschaffung teurer als ein Mittelklassewagen und bei Lackschäden oft vom Totalschaden bedroht. Für Details empfehle ich die Lektüre von „Karius und Baktus“, der bekannten Geschichte zweier radikaler Anarchisten, deren Ablehnung einer auf gemeinsamen Werten beruhenden Gesellschaftsordnung im Wohnraum Mund zu verheerenden Beschädigungen führt, bis dann die Staatsgewalt eingreift, Pflegeinstrumente einsetzt und die beiden im Endkampf vernichtet.
    Man mag das Martialische dieser Geschichte als faschistisch brandmarken und fragen, ob es schon wieder so weit ist, dass wir über die Vernichtung von unwertem Leben nachdenken dürfen und sogar unsere Kinder mit solchen Gedanken infiltrieren. Ich aber sage: Wenn sich einer der beiden Drecksäcke in meinen Mund verirrt, schlage ich erbarmungslos mit der elektrischen Zahnbürste zu! Rübe runter!
    07 59
Sollte man nicht erst gefrühstückt haben, bevor man über die ideologischen Grundlagen der Zahnpflege nachdenkt? Vielleicht war es der Blick auf das Spülbecken, der meine Assoziationskette auslöste. Haferflockenreste sehen aus wie bereits gegessen. Ich bräuchte eine Haushälterin, die ganztägig überall aufräumt, wo ich in wenigen Sekunden hinschauen werde. Wenn ich geguckt haben werde, solltesie schon fertig gewesen sein. Eine Futur-zwei-Putzhilfe. Leider gibt es so etwas nur im Konjunktiv.
    Beim Frühstück zeigt sich nicht nur die kulturbedingte Einfältigkeit des eigenen Lebensentwurfes, sondern auch die Vielfältigkeit menschlicher Überlebensstrategien. Der eine isst Suppen, der andere Fett, wieder andere Zuckersirup, und in vielen Kulturen wird bereits vor der ersten Mahlzeit Schnaps getrunken, meist heimlich.
    In Japan gibt es Reis, sauer eingelegtes Gemüse, rohes, verquirltes Ei und Nori-Algen, gerne auch gebratenen Fisch, Reis und eine gute
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