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Das Geheimnis der Wellen

Das Geheimnis der Wellen

Titel: Das Geheimnis der Wellen
Autoren: Nora Roberts
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und entdeckte frische Hand tücher im Bad sowie niedliche kleine Seifen in Muschel form. Es duftete nach Zitronen.
    Eli zog sich aus, ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen. Er hatte im letzten Jahr stark abgenommen und wollte daran nicht unbedingt erinnert werden. Er hoffte, unter der Dusche etwas von seiner Erschöpfung abwaschen zu können. Denn er wusste aus Erfahrung, dass er sonst unruhig schlafen und mit einem dicken Kopf aufwachen würde.
    Nach dem Duschen rubbelte er sich die Haare mit einem Handtuch trocken. Sie ringelten sich feucht und dunkelblond im Nacken – seit seinem zwanzigsten Lebensjahr waren sie nicht mehr so lang gewesen. Kein Wunder, schließlich war er seit fast einem Jahr nicht mehr bei Enrique gewesen. Er hatte keinen Bedarf für einen Hundertfünfzig-Dollar-Haarschnitt gehabt, genauso wenig wie für seine inzwischen eingelagerten italienischen Anzüge und Schuhe.
    Er war kein perfekt angezogener Strafverteidiger mehr, der in Kürze zum Partner aufsteigen würde. Dieser Mann war mit Lindsay gestorben, ohne dass er es bemerkt hätte.
    Er schlug die Steppdecke zurück, schlüpfte darunter und löschte das Licht.
    Im Dunkeln konnte er das Meer hören, ein ständiges Brau sen, und den Eisregen, der gegen die Fenster schlug. Er schloss die Augen und sehnte sich wie jede Nacht danach, wenigstens für ein paar Stunden alles zu vergessen.
    Mehr war ihm nicht vergönnt.
    *
    Meine Güte, war er sauer! Niemand, wirklich niemand, konnte ihn so zur Weißglut bringen wie Lindsay!
    Schlampe, dachte er, während er durch den Graupelschauer fuhr.
    Sie hatte wirklich höchst eigene Vorstellungen von Moral. Es war ihr doch glatt gelungen, sich, ihren Freunden, ihrer Mutter, ihrer Schwester und allen anderen weiszumachen, dass ausschließlich er für ihre Ehekrise verantwortlich war. Dass aus der Paartherapie erst eine Trennung auf Probe und dann ein Rosenkrieg geworden war.
    Dass er daran schuld war, acht Monate von ihr betrogen worden zu sein: fünf Monate länger, als die probeweise Trennung dauerte, auf der sie so beharrt hatte. Und aus irgendeinem Grund war es auch seine Schuld, dass er sie beim Lügen und Betrügen erwischte, bevor er seine Unter schrift unter jene Vereinbarung gesetzt hatte, die ihr eine dicke Abfindung zusicherte.
    Sie waren also beide sauer: er, weil er so ein Idiot gewesen war, und sie, weil er es endlich geschnallt hatte.
    Sicherlich war er nicht unschuldig daran, dass sie am Nachmittag in der Kunstgalerie, in der sie halbtags arbeitete, eine erbitterte, lautstarke Auseinandersetzung wegen ihres Ehebruchs gehabt hatten. Schlechtes Timing und nicht ganz die feine Art von seiner Seite. Aber im Moment war ihm das egal.
    Sie wollte ihm die Schuld daran geben, dass sie leichtsinnig geworden war. So leichtsinnig, dass seine Schwester seine Ehefrau dabei gesehen hatte, wie sie mit einem anderen Mann in einer Hotellobby in Cambridge herumknutschte. Danach waren die beiden in den Lift gestiegen.
    Gut möglich, dass Tricia ein paar Tage gewartet hatte, bevor sie es ihm erzählte, aber das konnte er ihr schlecht vorwerfen. Solche Nachrichten überbringt man nicht gern. Er selbst hatte mehrere Tage gebraucht, bis er die Information verarbeitet und einen Detektiv beauftragt hatte.
    Acht Monate, dachte er erneut, in denen sie mit dem anderen geschlafen hatte – in Hotels, Pensionen und wer weiß, wo noch. Immerhin war sie so klug gewesen, es nicht in ihrem gemeinsamen Haus zu tun. Was sollten sonst die Nachbarn denken?
    Vielleicht hätte er nicht mit dem Bericht des Privatdetektivs wutentbrannt in die Galerie stürmen und sie damit konfron tieren sollen. Vielleicht hätten sie beide die Geistesgegenwart besitzen sollen, sich nicht gegenseitig in Grund und Boden zu brüllen, sodass man es bis auf die Straße hören konnte.
    So peinlich das auch war, damit würden sie leben müssen.
    Er wusste nur eines: Ihre Abfindung würde nicht mehr so üppig ausfallen. Von wegen fair sein und nicht auf dem Ehevertrag beharren! Die würde sich noch wundern, wenn sie von ihrer Wohltätigkeitsauktion zurückkam und entdeckte, was er alles mitgenommen hatte. Das Gemälde aus Florenz, den Art-déco-Ring, den er von seiner Urgroßmutter geerbt hatte, und das silberne Kaffeeservice, an dem sie kein Interesse gehabt hatte und das als Familienerbstück auf keinen Fall zum gemeinschaftlichen Hausrat gehörte.
    Die würde Augen machen!
    Vielleicht war das kleinlich, vielleicht dumm, vielleicht aber auch bloß fair.
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