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Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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schroff. Mariflores Zimenes war ein Thema, das man mied.
    »Meiner Mutter kam niemand zu Hilfe. Sie trug keinen Titel und die falschen Kleider. Würdest du für mich dein Leben wagen, wenn ich keinen Titel und andere Kleider trüge?«
    Goswin fuhr entsetzt zu ihr herum. »Eure Feinde sind die meinen. Ich würde alles für Euch tun.«
    »Dann fahr zur Kapelle.« Lunetta kletterte flink vom Sitzbrett in den Wagen.
    Verdammtes, verflixtes… Luder! Ihn so listig auszumanövrieren! Das Kind war wie ausgewechselt, seit sie Spanien vor vier Monaten verlassen hatten. Wo war das sanftmütige Mädchen hin, das sich lächelnd über die Laute beugte, bei Hofbesuchen zu den anmutigsten Tänzerinnen zählte und mit kindlicher Neugier alles las, was es in die Hände bekam? Die Freude des Vaters, sein Licht, seine Zuversicht.
    Lunetta hatte sich in Antwerpen kalt und knapp vom Grafen verabschiedet, als dieser die Galeone via England bestieg. Sie hatte ihre eigene Abreise aus der Scheldestadt hinausgezögert und die Fahrt aus jedem nur erdenklichen Grund unterbrochen. Befürchtete sie wirklich, dass man sie in Köln ohne den Schutz des Grafen noch einmal für das zerzauste, heimatlose Geschöpf halten würde, das sie einmal gewesen war? Ein, ein … Hexenkind , flüsterte eine Stimme in ihm. Verfluchter Melatenhof! Und adiós dem heißen Burgunder.
    Seufzend wendete Goswin den Wagen und lenkte ihn durch das Friedhofstor. Die schweren Hufe der Pferde ließen den Beinbrecher erzittern, ein Holzrost, der streunende Hunde von frisch verscharrten Leichen fernhalten sollte.
    Das Fuhrwerk passierte ein offenes Grab, aus dem Erde hochflog und nass gegen die Seitenwände des Wagens klatschte. Irgendeiner armen Seele wurde die letzte Ruhestätte bereitet. Am Rand der Grube erkannte der Kutscher einen regennassen Schädel und die Überreste eines Skeletts, das dem neuen Toten weichen und ins Beinhaus umziehen musste.
    Goswins Miene verfinsterte sich wie der Himmel zunehmend. Er lenkte das Fuhrwerk auf einen Eibenhain zu, der die Friedhofskapelle umsäumte. Der anschwellende Wind ließ die Totenbäume tanzen. Ihre immergrünen Zweige kratzten an den Scheiben des Gotteshauses, als begehrten sie Einlass.

2.
    Wie aus dem Nichts tauchte ein gebücktes Männlein in kurzem weißem Umhang und Kniebundhosen neben den Pferden auf und griff in die Zügel. Aus dem Nichts? Nein, aus dem offenen Grab. Schmutzstreifen auf seinem Umhang verrieten, dass er der Totengräber sein musste.
    »Soll ich die Gäule festhalten? Wäre nicht gut, wenn sie an den Eiben knabbern. Tödlich, das Zeug.«
    Goswin betrachtete ihn ärgerlich. Es war der Schellenknecht von Melaten. Man erkannte ihn am Glöckchen, einem Schultersack und der Büchse, die er flugs gegen den Spaten getauscht haben musste. So ausgerüstet, zog er täglich klingelnd und bimmelnd durch Köln, um Brot und Almosen für die Aussätzigen zu sammeln. Aufdringlichkeit war sein größtes Talent und sein Lohn die Hälfte aller Gaben.
    Mit listigen Äuglein taxierte der Knecht das Wappen auf Goswins Brustharnisch und rechnete sich die Spende aus, die man den Insassen eines so vornehmen Gefährts abknöpfen konnte. Goswin schnaubte. Schlimmer als manch ein Habenichts waren die Bettelvögte, Almosenverwalter und Schellenbüttel, die an der Armut ihren Gewinn hatten. Das Aufleuchten im Gesicht des Männleins, als Lunetta aus dem Wagen stieg, vertiefte das Misstrauen des Kutschers.
    »Gott zum Gruß«, flötete der Schellenknecht und wischte sich Erde und Regen aus dem Gesicht. »Wir erwarteten unseren Pfarrer aus Köln, der einer armen Seele das letzte Geleit geben soll. Noch ist ein Arzt bei dem bedauernswerten Mann, aber …« Er setzte eine Leichenbittermiene auf und schüttelte mit gut einstudiertem Bedauern den Kopf. Als er ihn hob, zeigte er ein ebenso wohl einstudiertes Lächeln. »Nun ja, eine schöne Fremde wie Ihr seid in einer solchen Stunde der Prüfung sehr willkommen.«
    Er leckte sich die Lippen, während er Lunettas Gesicht studierte. Der Goldton der Haut und das Rabenhaar verrieten eine südländische Herkunft. Wie passte das zu einem deutschen Adelswappen? Schlecht. Es sei denn, die blutjunge Schöne hatte ein verwerfliches Geheimnis.
    Etwa, dass sie die fremdländische Dirne des Grafen war. In Köln kannte er so manches Kurtisanenhaus für Fernhändler, deren Bewohnerinnen die raffiniertesten Laster anboten. Ihre Bußfertigkeit und ihren Wunsch nach Verschwiegenheit bewiesen diese Dienerinnen
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