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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten
Autoren: Ellis Peters
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hinteren Ende des Ackers, wo sich das Gestrüpp von Büschen erhob. Sie hatten den Pflug dicht daran entlang geführt, um den Boden möglichst gut zu nutzen, und die Ochsen standen jetzt still und geduldig in ihrem Geschirr, nur ein paar Meter vor dem Pflug in der frischen Furche, während Treiber und Pflüger die Köpfe zusammensteckten und sich über etwas in der Erde beugten. Und im selben Moment kam der Pflüger auf die Beine und rannte Hals über Kopf mit herumrudernden Armen auf das Häuschen zu. Er stolperte immer wieder in dem verfilzten Gras.
    »Bruder . . . Bruder Cadfael . . . Könnt Ihr herkommen? Kommt her, seht mal! Da ist etwas . . .«
    Richard hatte den Mund geöffnet, um den Mann wegen dieser unzusammenhängenden Aufforderung zur Ordnung zu rufen, doch Cadfael hatte dem erschreckten und besorgten Pflüger ins Gesicht geblickt und setzte sich rasch in Bewegung, um über das Feld zu laufen. Es war offenkundig, daß dieses Etwas, was immer es sein mochte, ebenso unwillkommen wie unvorhergesehen und so geartet war, daß nur eine höhere Autorität die Verantwortung übernehmen und ein klärendes Wort äußern konnte. Der Pflüger rannte neben ihm her und sprudelte unzusammenhängende Worte hervor, die nicht dazu angetan waren, Licht in die Angelegenheit zu bringen.
    »Das Kolter hat es nach oben gezerrt - unter der Erde ist noch mehr, ich weiß aber nicht, was . . .«
    Der Ochsentreiber war inzwischen aufgestanden und stand mit hilflos herabhängenden Armen da.
    »Bruder, wir konnten da einfach nicht weiterpflügen, wir können ja nicht wissen, worauf wir da gestoßen sind.«
    Er hatte das Gespann ein wenig vorziehen lassen, um die Stelle frei zu machen und zu zeigen, was die Arbeit so unverhofft unterbrochen hatte. Dicht vor dem leicht abfallenden Flußufer, das den Feldrain markierte und wo abgeschnittene Besenginsterbüsche sich über die leicht geschwungene Furche neigten, wo der Pflug gewendet hatte, hatte das Kolter tiefer ins Erdreich geschnitten und in der Furche etwas hinter sich hergeschleift, was weder Wurzel noch Stiel war. Cadfael kniete sich hin und beugte sich tief herunter, um besser zu sehen. Bruder Richard, den die Bestürzung, die seine Knechte zunächst so wirr hatte reden lassen und jetzt vor Furcht stumm werden ließ, endlich doch beeindruckte, trat zurück und sah wachsam zu, als Cadfael eine Hand durch die Furche gleiten ließ und die langen Fäden berührte, die sich im Kolter verheddert hatten und ans Tageslicht gezogen worden waren.
    Fasern, aber von Menschenhand gemacht. Nicht die knorrigen Fäden von Wurzeln, die aus dem Erdreich gerissen worden waren, sondern halbverrottete Stoffetzen, deren Farbe einst schwarz oder das gewöhnliche Dunkelbraun gewesen war und die jetzt die Farbe der Erde angenommen, jedoch noch immer genug von ihrer eigentlichen Natur in sich hatten, um zu langen, ausgefransten Lumpen zerrissen zu werden, als das Eisen des Kolters die Falten durchschnitt, aus denen sie stammten. Und da war noch etwas, was mit ihnen ans Tageslicht gekommen und vielleicht von ihnen umhüllt gewesen war und jetzt fast in der Länge eines männlichen Unterarms in der Furche lag, schwarz, gewellt und zart: eine lange, dichte Strähne dunklen Haars.

2. Kapitel
    Bruder Cadfael kehrte allein in die Abtei zurück und bat um sofortige Audienz bei Abt Radulfus.
    »Vater, etwas Unvorhergesehenes läßt mich so eilig zu Euch zurückkehren. Wenn es unwichtig gewesen wäre, hätte ich Euch damit nicht behelligt, doch der Pflug hat auf dem Töpferacker etwas ans Licht gebracht, was sowohl dieses Haus als auch das weltliche Gesetz angeht. Ich habe noch nichts unternommen. Ich brauche Euer Einverständnis, um dies auch Hugh Beringar mitzuteilen, um dann, seine Einwilligung vorausgesetzt, weiter zu untersuchen, was ich bis jetzt so belassen habe, wie wir es vorgefunden haben. Vater, das Kolter hat ein paar Fetzen Stoff und eine Locke menschlichen Haars zutage gefördert. Das Haar einer Frau, wie mir scheinen will. Es ist lang und fein, und ich denke, es ist nie geschnitten worden. Und, Vater, es wird unter der Erde festgehalten.«
    »Du willst mir also sagen«, sagte Radulfus nach einer langen und bedeutungsvollen Pause, »daß es noch immer auf einem menschlichen Kopf sitzt.« Seine Stimme klang gleichmütig und fest. Es gab nur wenige unwahrscheinliche Situationen, denen er in seinen mehr als fünfzig Jahren nicht begegnet war. Und wenn dies die erste ihrer Art war, so war es keineswegs
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