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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern
Autoren: Tiffany Baker
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wieder ihr Salz in der Hand hielten, reichte ihr schon.
    Sie erreichte den Stand, den Dee ganz hinten aufgebaut hatte, der lag jedoch verwaist da. Die Geldkassette war abgeschlossen, und die Tischdecke aus Papier, die sich unter dicken Schneeflocken langsam aufzulösen begann, flatterte im Wind. »Dee!«, rief Claire in die Dunkelheit, aber es kam keine Antwort.
    »Die ist gegangen«, verriet ihr eine tiefe Stimme. »Direkt nachdem es mit dem Feuer losging. Sie hat nicht einmal ihr Salz in die Flammen geworfen. Sehen Sie?« Claire erkannte Mr Weatherly. Er wies mit seinem knorrigen Finger auf den durchweichten Umschlag neben dem heißen Apfelwein.
    Ärger stieg in Claire auf. »Hat sie gesagt, wo sie hinwollte?« Der Wind zerrte an ihren Haaren und fegte ihr stechende Strähnen ins Gesicht.
    Mr Weatherly schüttelte den Kopf. »Nein. Aber was ist denn mit Ihnen? Haben Sie schon Ihr Glück probiert?« Er deutete wieder auf das nasse Kuvert.
    Claire dachte an den Tag, als sie zum ersten Mal das Salz ins Feuer geworfen hatte und wie sich die Flammen damals schwarz verfärbt hatten. Die Menge war in ein so tiefes Schweigen verfallen, dass sie gedacht hatte, die Welt würde nie wieder zum Leben erwachen. Und vielleicht war sie das für sie ja auch nicht. Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, lehnte sie ab, und ein unbehagliches Gefühl machte sich in ihr breit. Sie wusste besser als jeder andere, wie heikel es war, mit der Zukunft zu spielen. Aber das hatte sie ja jetzt alles hinter sich. Und je eher sie Dee fand, dachte sie, desto besser.

K APITEL 29
    E igentlich war Dee gar nicht scharf darauf gewesen, aber Jo hatte sie dazu überredet, am Tag vor dem Dezemberfeuer mit ihr nach Prospect zu fahren und die Salzpäckchen zu verteilen. Es sah fast so aus, als hätten alle Bäume über Nacht die Blätter abgeworfen und wären zu Skeletten geworden. Draußen in der Marsch zerrte der Wind an den Schindeln und Fenstern des Gutshauses, und Schleier aus Frost überzogen rasch die Becken und färbten die Dämme weiß. Als sie die Landstraße entlangruckelten, wiegte Dee den in eine Decke eingewickelten Jordy auf dem Schoß. Sie musste an das Dezemberfeuer des Vorjahres denken. An dem Abend hatte Whit ihr das Medaillon gegeben und sie unter dem Birnbaum geliebt. Damals hatte sie vom Gilly-Salz noch gar nichts gewusst, nur, dass ihr davon das Wasser im Munde zusammenlief.
    Jo bog in die Bank Street ein, und Dee blinzelte ins Winterlicht. Erstaunlich, wie eng die Straße ihr jetzt erschien. Ihr kamen die dunstigen Morgen in den Sinn, an denen sie am Fenster auf den Klang von Pferdehufen und einen Blick auf Claires Zopf gewartet hatte, und dann später auf Whits Auto, das mit leise surrendem Motor irgendwo in der Nähe stand. Irgendwie fand sie es traurig, dass sie bei ihrem Abschied aus Prospect niemandem Lebewohl sagen würde. Denn je weniger Claire und Jo von diesem Plan wussten, desto besser.
    Jo fuhr zum Imbiss hinüber und brachte den Wagen zum Stehen. »Bist du dir sicher?«, fragte sie, aber Dee reichte ihr nur Jordy und öffnete die Beifahrertür.
    »Warten Sie hier auf mich«, antwortete sie. »Ich bin gleich wieder da.«
    Sie trat ins Lokal und fuhr zusammen, als die Klingel wie üblich laut schellte. Ihr Vater stand am Tresen und beugte sich gerade über die Kasse. Er sah älter aus, als Dee ihn in Erinnerung hatte, und sie bekam auf einmal ein schlechtes Gewissen. Dann aber wurde ihr klar, dass nicht sie, sondern der Alkohol Cutts Verderben war.
    Das Restaurant wirkte verwahrlost, so als ob hier in letzter Zeit nicht viel los gewesen wäre. Einige der Hocker an der Theke waren staubig, und in den Schiffslaternen waren Glühbirnen kaputt oder flackerten zumindest schon. Die Menükarten in den Plastikhüllen waren vergilbt und an der Tafel für die Tagesspezialitäten war nichts angeschrieben.
    »Hey«, grüßte Dee, und Cutt starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Was willst du?«, fragte er. Er zermalmte die Worte geradezu und spuckte sie ihr entgegen. Kein Zweifel, offensichtlich hatte er seine Politik der verbrannten Erde nicht noch einmal überdacht. Dee hätte genauso gut eine unbedeutende kleine Maus sein können, die sich in den Wänden verkroch. Plötzlich sah sie Jordys kleinen Körper vor sich, wie er nach dem Baden herumzappelte. Welche Verfehlung konnte nur so schlimm sein, dass sie sich jemals von ihm abwenden wollte? Die Frage überstieg ihre Vorstellungskraft. Dee warf das Salzpäckchen auf den
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