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Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3

Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3

Titel: Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Autoren: Tad Williams
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unbestimmten Verdacht: Pryrates hatte dafür gesorgt, dass Ranessin starb. Und jetzt war sich Guthwulf sicher, dass Elias davon wusste, den Mord vielleicht sogar angeordnet hatte. Der König und sein Ratgeberhatten sich in einen Handel mit Dämonen eingelassen und Gottes höchsten Priester umgebracht.
    Guthwulf saß mit vielen anderen am Tisch, aber in dieser Sekunde fühlte er sich so einsam wie ein Mann auf windgepeitschtem Berggipfel. Er konnte die Last so vieler Täuschungen, so großer Furcht nicht länger ertragen. Es war Zeit zur Flucht. Lieber als blinder Bettler unter dem übelsten Abschaum von Nabban vegetieren, als eine einzige Stunde länger in dieser verfluchten, gespenstischen Burg ausharren.
    Guthwulf schob die Tür seines Zimmers auf und blieb im Türrahmen stehen, um sich von der eisigen Luft des Korridors umwehen zu lassen. Es war Mitternacht. Selbst wenn er die Folge klagender Töne, die vom Engelsturm erklangen, nicht gehört hätte, wäre ihm doch die tiefere Kälte an Wangen und Augen aufgefallen, die scharfe Schneide der Nacht, wenn sich die Sonne in ihren fernsten Schlupfwinkel zurückgezogen hatte.
    Merkwürdig, die Augen zu benutzen, um mit ihnen zu fühlen. Aber seitdem Pryrates ihm den Blick versengt hatte, waren sie sein empfindlichster Körperteil geworden. Mit einer Feinheit der Wahrnehmung, die selbst die seiner Fingerspitzen übertraf, erfassten sie jede Veränderung von Wind und Wetter. Und doch, so nützlich ihm seine blinden Augäpfel auch waren, es lag etwas Grausiges darin, sich ihrer so zu bedienen. Mehrere Nächte war er schwitzend und atemlos aus Träumen erwacht, in denen er ein formloses, kriechendes Ding gewesen war, mit fleischigen Fühlern, die aus seinem Gesicht herauswuchsen, blicklosen Knollen, die wie Schneckenhörner schwankten. In seinen Träumen konnte er sehen; das Wissen, dass er selbst es war, auf den er starrte, riss ihn immer wieder keuchend aus dem Schlaf, zurück in die tiefe Dunkelheit, die nun für immer seine Heimat war.
    Guthwulf trat in den Gang der Burg hinaus, wie jedes Mal überrascht, dass er sich noch immer im Finstern bewegte, wenn er von einem Raum zum andern ging. Als er die Tür zu seinem Zimmer mit dem Kohlenbecken darin, in dem die Glut schwelte, ins Schloss zog, wurde die Kälte beißender. Er vernahm das Klirren der gepanzerten Posten auf den Mauern vor dem offenen Fenster und lauschte demWind, der anschwoll und das Klappern der Rüstungen unter seinem eigenen Klagegesang erstickte. Unten in der Stadt jappte ein Hund, und irgendwo, mehrere Biegungen weiter im Gang, öffnete sich leise eine Tür und schloss sich wieder.
    Ein paar Sekunden wiegte sich Guthwulf unentschlossen hin und her und entfernte sich dann einige Schritte von seiner Tür. Wenn er fortwollte, musste er jetzt gehen; es hatte keinen Sinn, hier brütend im Korridor herumzustehen. Er sollte sich lieber beeilen und die Gunst der Stunde nutzen: Die ganze Welt war blind im Dunkel der Nacht und ihm kaum überlegen. Und welche Wahl hatte er denn noch? Das, was aus seinem König geworden war, konnte er nicht ertragen. Aber er musste ihn heimlich verlassen. Auch wenn Elias nur noch wenig Verwendung für Guthwulf hatte – eine Hand des Hochkönigs, die nicht mehr in die Schlacht reiten konnte –, zweifelte Guthwulf daran, dass sein einstiger Freund ihn so einfach gehen lassen würde. Wenn ein blinder Mann die Burg verließ, die ihm Nahrung und Wohnung bot, und dazu noch vor seinem alten Kameraden Elias floh, der ihn immerhin vor Pryrates’ berechtigtem Zorn geschützt hatte, dann roch das allzu sehr nach Verrat – zumindest für den Mann auf dem Drachenbeinthron.
    Guthwulf hatte schon eine ganze Weile über alles nachgedacht und sogar einen Plan ausgearbeitet. Er wollte hinunter nach Erchester gehen und die Nacht in Sankt Sutrin verbringen. Der Dom war so gut wie verlassen, und die Mönche dort zeigten sich gegenüber allen Bettlern barmherzig, die überhaupt noch den Mut besaßen, innerhalb der Stadtmauern zu übernachten. Am nächsten Morgen würde er sich dann unter die Nachzügler des ungeordnet hinausziehenden Volkes mischen und der Alten Waldstraße nach Osten ins Hasutal folgen. Von dort aus – wer konnte das sagen? Vielleicht weiter ins Grasland, wo Josua Gerüchten nach ein Heer von Aufständischen um sich sammelte. Vielleicht in ein Kloster in Stanshire, oder auch anderswohin, an irgendeinen Ort, der wenigstens so lange Zuflucht bot, bis Elias’ unbegreifliches Spiel
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