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Das Geheimnis der Götter

Das Geheimnis der Götter

Titel: Das Geheimnis der Götter
Autoren: Christian Jacq
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lebten die Schöpfungskräfte von den Ritualen, die hier für sie gefeiert wurden. Wie gefühllos man auch sein mochte – dieser Stimmung konnte sich niemand entziehen.
    Der Auftrag, den der Prophet zu erfüllen hatte, war ganz eindeutig: Osiris durfte auf keinen Fall wiederauferstehen. War es ihm erst gelungen, diesem Wunder ein Ende zu setzen, konnte er den wahren und einzigen Glauben verbreiten. Da dieser als alleinige Lehre und zugleich als Herrschaftsform diente, konnte mit diesem Glauben die gesamte Menschheit unterjocht werden. Von da an müsste jeder Gläubige Tag für Tag die gleichen unveränderlichen Sprüche aufsagen, jede Form von Gedankenfreiheit wäre untersagt. Und selbst wenn sich hie und da irgendwelche Führergestalten in der irrigen Meinung erheben sollten, sie könnten das Schicksal eines Volkes in ihre Hand nehmen, würde sie diese Lehre ganz von allein außer Gefecht setzen. Leichtgläubigkeit und Gewalt nährten sie immer von neuem.
    Der Prophet schüttelte sich wie ein nasser Hund. Die Kraft, die von den Tempeln ausging, schwächte ihn und drohte, seine Pläne zu vereiteln. Trotzdem durfte er nichts übereilen. Indem er das Salz von Seth zu sich nahm, bewahrte er sich seine Macht und sein zerstörerisches Feuer. Da der Ausgang des entscheidenden Kampfes ungewiss war, bewegte sich der Prediger mit den feurigen Augen sehr vorsichtig auf dem feindlichen Gelände.
    Sesostris’ Stadt war nach den Gesetzen der göttlichen Maßstäbe erbaut und schien ihn irgendwie vertreiben zu wollen. Als der Prophet in die Hauptstraße bog, kam ein heißer Wind auf und ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Er öffnete den Mund und sog diesen feindseligen Atem in sich ein.
    »Geht es Euch nicht gut?«, fragte ein mit Besen und Putztüchern bewaffnetes Hausmädchen.
    »Doch, doch, ich bewundere nur gerade unsere schöne Stadt. Verspricht es nicht ein herrlicher Tag zu werden?«
    »Was, wenn ihn die Flut zu einem Unglückstag macht?
    Wollen wir hoffen, dass uns Osiris rettet!«
    Der Prophet ging weiter und gelangte zur Wohnung des Priesters Bega, die angenehm schattig am Anfang einer kleinen Seitenstraße lag. Er schlug die Matte zurück, die den Eingang verhängte, und betrat einen kleinen Raum für den Ahnenkult. Ein hässlicher Mann mit einer großen Nase fuhr bei seinem Anblick hoch.
    »Ihr seid es… Hattet Ihr keine Schwierigkeiten
    herzukommen?«
    »Nicht die geringsten, mein lieber Bega.«
    »Dabei ist der Kommandeur hier zurzeit wirklich äußerst misstrauisch!«
    »Anscheinend ähnle ich dem Zeitweiligen, den ich ersetze, so sehr, dass er keinen Verdacht geschöpft hat. Außerdem gehört es zu meinen größten Vergnügungen, derartige Überwacher zu überlisten.«
    Bega, dessen Namen »Kälte« bedeutete, genoss jeden einzelnen Schritt seines Racheplans in vollen Zügen. Nachdem er viele Jahre in Abydos zugebracht hatte, wäre es nur recht und angemessen gewesen, ihn zum Oberpriester der Gemeinschaft zu ernennen und ihn in die großen Mysterien einzuweihen. Sesostris hatte sich aber anders entschieden, und für diese Erniedrigung musste er teuer bezahlen. Denn Bega war jetzt ein Diener von Seth, dem Mörder von Osiris, und für hohe Ämter vorgesehen. Mit eiserner Faust würde er über die Tempel Ägyptens herrschen. Bald würde ihn jeder hoch achten und ihm blindlings gehorchen, doch zuvor wollte er die waghalsigen Pläne des Propheten in die Tat umsetzen, denn nur mit seinem neuen Meister konnte er seine Hassgefühle befriedigen.
    Eiskalt machte Bega mit dem Schluss, was er früher einmal verehrt hatte. Von seiner Vergangenheit als Ritualist und Diener des Osiris war nichts mehr übrig. Und Abydos, das lange Zeit sein Lebensmittelpunkt gewesen war, stand jetzt nur noch für Groll und Verbitterung. Dessen großes Geheimnis wollte er schänden, und der bevorstehende Untergang dieses erhabenen Reichs bereitete ihm schon jetzt ein gewaltiges Vergnügen. Wenn erst der Pharao und die ständigen Priester beseitigt und Frauen von allen geistlichen Ämtern ausgeschlossen waren, gehörten die Reichtümer des Osiris endlich ihm.
    »Hast du Shab getroffen?«, fragte der Prophet.
    »Er versteckt sich in einer Kapelle in der Nähe der Terrasse des Großen Gottes und wartet auf Eure Anweisungen.«
    »Gibt es dort keine Streifgänge?«
    »Kein Weltlicher darf dieses Gelände betreten. Hin und wieder kommt ein Priester oder eine Priesterin dorthin, um in sich zu gehen. Ich habe einen abgelegenen Platz ausgesucht,
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