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Das Geheimnis der Apothekerin

Das Geheimnis der Apothekerin

Titel: Das Geheimnis der Apothekerin
Autoren: Julie Klassen
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Blick unverwandt auf die Kekse gerichtet, während sie sie auf das Blech legte. »Meinst du? Das glaube ich nicht.«
    »Das würdest du aber, wenn du gesehen hättest, wie sie im Laden miteinander geflirtet haben.«
    Mary zuckte die Achseln. »Flirten ist nun mal Dorotheas Art. Vielleicht wird sie ja jetzt vorsichtiger sein.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Lilly. Dann fiel ihr ein, dass Francis sich am Tag zuvor krankgemeldet hatte. Miss Robbins hatte nicht gesagt, wann das Tête-à-tête stattgefunden hatte, aber es konnte noch nicht lange her sein. Also war es vielleicht doch nicht Francis gewesen …
    »Du wirst Charlie doch nicht danach fragen, oder?«, fragte Mary.
    Lilly zögerte.
    »Lill, tu das nicht. Du darfst ihn nicht dazu bringen, dass er ein Versprechen bricht, dass er einer Dame gegeben hat – auch wenn diese Dame Dorothea Robbins ist.«
    »Wahrscheinlich hast du recht. Musst du eigentlich immer recht haben, Mary?«
    Mary legte sich mit melodramatischer Geste die teigverkrustete Hand an die Stirn. »Das ist der Fluch, mit dem ich leben muss.« Sie beäugte Lillys Teller. »Isst du mein Brötchen jetzt oder nicht?«

    An diesem Nachmittag betrat der zwergenhafte Jack Dubin den Laden, ein versiegeltes Schreiben in der Hand.
    »Brief durch Sonderboten – das bin ich – für eine Miss Lillian Haswell. Kennst du jemand, der so heißt?«
    Frecher Kerl . Lilly umrundete die Theke und stibitzte ihm den Brief. »Du weißt sehr wohl, wer ich bin, Jack.« Sie warf ihm eine Münze zu. »Hier – eine Entschädigung für deine Mühe.«
    Er betrachtete die Münze in seiner Hand. »Das ist aber eine winzige Entschädigung!«
    »Nun, dann überbring deine Briefe nächstes Mal in weniger witziger Manier!«
    Lilly verließ den Laden durch die Hintertür und brach dabei langsam das rote Wachssiegel. Es war das erste Mal, dass sie einen Brief durch einen Boten erhielt – oder vielmehr, dass sie überhaupt einen Brief erhielt, der ausdrücklich und allein an sie gerichtet war. Wie sehr hatte sie sich immer nach einem Brief von ihrer Mutter gesehnt! Aber es war nie einer gekommen.
    Sie öffnete den Brief und sah, dass er von Tante und Onkel Elliott war, geschrieben in ihrer Unterkunft über dem Kanal in Honeystreet, nicht weit von Bedsley Priors entfernt.
    Meine liebe Nichte,
    wir haben unsere gestrige Begegnung sehr genossen, trotz der Umstände, die für uns alle nicht leicht waren. Würdest du uns vielleicht die Ehre erweisen, heute Abend um sieben Uhr hier im The George mit uns zu dinieren? Wir würden unsere Bekanntschaft mit dir sehr gerne vertiefen, bevor wir nach London zurückkehren.
    In aufrichtiger Zuneigung
    Mr und Mrs Jonathan Elliott
    Den Brief in der Hand ging Lilly zurück in den Laden und wunderte sich, Jack noch dort zu sehen.
    »Wie lautet deine Antwort?«, wollte Jack wissen. »Ich soll sie gleich überbringen.«
    »Oh.« Sie zögerte. Sollte sie die Einladung aus Loyalität zu ihrem abgewiesenen Bruder ausschlagen? Oder um ihrer Eltern willen, die so lange Zeit mit Nichtachtung gestraft worden waren? Immerhin waren diese Leute Fremde für sie; sie hatten die Wahl selbst getroffen.
    Aber jetzt hatten sie sich anders besonnen.
    »Sag ihnen, dass ich annehme.«

    Lilly hatte schon früher im The George gegessen, allerdings noch nicht oft. In den ersten Monaten nach dem plötzlichen Verschwinden ihrer Mutter hatte ihr Vater, der damals wie betäubt wirkte und sich gleichzeitig verzweifelt abmühte, für seine Kinder und seinen Laden da zu sein, sie an Mrs Fowlers freiem Tag immer in das damals gerade neu eröffnete Restaurant mitgenommen. Irgendwann hatten er und Lilly dann unter der Anleitung von Mrs Mimpurse gelernt, selbst einfache Mahlzeiten zuzubereiten.
    Nachdem ihre Mutter fort war, hatte die Küche sich nach und nach in eine Labor-Küche verwandelt – in dem Maß, in dem die Destillier- und Mischgefäße ihren Weg in einen Raum gefunden hatten, den ihre Mutter bis dahin resolut als tabu für derartige Gerätschaften erklärt hatte. Inzwischen erfüllten der Herd und die Ablagen trotz Mrs Fowlers Protesten doppelte Funktionen und dienten der Zubereitung von Nahrung und Arzneimitteln, je nach Bedarf. Lilly fragte sich oft, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie sich versehentlich zu einer mit Arsen oder Digitalis gewürzten Mahlzeit niederließen, während sich der Zustand ihrer Patienten unter der Einnahme von Heilmitteln wie Lauchsuppe kontinuierlich verschlechterte.
    Mary, die ein Talent
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