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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen
Autoren: Jo Nesbø
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sie sei voll aufgedreht gewesen. Ich habe den Wasserdruck überprüft. Ziemlich gut für eine Dachwo h nung. Bei einem so kleinen Badezimmer kann es nicht lange gedauert haben, bis das Wasser über die Türschwelle ins Schlafzimmer gelaufen ist. Und auch nicht lange, bis es dann einen Weg zu den Nachbarn gefunden hat. Die Frau von unten sagte, es sei genau zwanzig nach fünf gewesen, als sie die Überschwemmung bemerkt habe. «
    » Das ist erst eine Stunde her «, sagte Harry. » Und ihr seid schon eine halbe Stunde hier. Scheint so, als hätten alle ung e wöhnlich schnell reagiert. «
    » Nicht wirklich alle, oder? «, gab Waaler zurück.
    Harry antwortete nicht.
    » Ich denke an den Gerichtsmediziner. « Waaler lächelte. » Er sollte längst da sein. «
    Beate hörte mit dem Fotografieren auf und warf Harry einen Blick zu.
    Waaler berührte sie am Arm. » Ruf an, wenn was ist. Ich gehe in den dritten Stock und rede mit dem Hausmeister. «
    » Okay. «
    Harry wartete, bis Waaler den Raum verlassen hatte. » Kann ich …? «, fragte er.
    Beate nickte und trat zur Seite.
    Harrys Schuhsohlen schmatzten auf dem nassen Boden. Auf allen Flächen des Raumes hatte sich Dampf niedergeschlagen und rann in kleinen Rinnsalen von den Wänden. Der Spiegel war blind geworden. Harry hockte sich hin. Er musste sich an der Wand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er schnüffelte, roch aber nur Seife und keinen der anderen Gerüche, von denen er wusste, dass sie da sein mussten. Dysosmie. Das hatte Harry in einem Buch gelesen, das er sich von Aune, dem Dezernatspsychologen, geliehen hatte. Es gab gewisse Gerüche, die wahrzunehmen sich das Gehirn ganz einfach weigerte. Dieser teilweise Ver lust des Geruchssinns sei oft auf ein emotionales Trauma zurückzuführen, hieß es. Das konnte Harry nicht sicher bestätigen. Er konnte nur sagen, dass er keinen Leichengeruch mehr wahrnahm.
    Camilla Loen war jung. Zwischen siebenundzwanzig und dreißig, nahm Harry an. Hübsch. Mollig. Ihre Haut war glatt und sonnengebräunt, doch blass, wie häufig im Tod. Sie hatte dunkles Haar, das trocken sicher heller wirkte, und ein kleines Loch in der Stirn, von dem nichts mehr zu sehen sein würde, wenn der Bestattungsunternehmer erst seine Arbeit gemacht hatte. Sonst bliebe ihm nicht viel zu tun, abgesehen von dem Überschminken einer kleinen Schwellung am rechten Auge.
    Harry konzentrierte sich auf das schwarze, kreisrunde Loch in der Stirn. Es war kaum größer als eine Einkronenmünze. Manchmal überraschte ihn, was für winzige Löcher einem Menschen das Leben nehmen konnten. Wobei man sich leicht täuschte, weil die Haut sich zusammenzog. Harry rechnete damit, dass das Projektil in diesem Fall größer war als das Loch.
    » Pech, dass sie im Wasser gelegen hat «, sagte Beate. » Sonst könnten wir vielleicht die Fingerabdrücke des Mörders finden, oder Textilfasern oder DNA-Spuren auf ihrem Körper. «
    » Hmm. Die Stirn hat auf jeden Fall aus dem Wasser geragt und scheint nicht viel aus der Dusche abgekriegt zu haben. «
    »Ja?«
    » An dem Einschussloch ist schwarzes, angetrocknetes Blut. Und Schmauchspuren auf der Haut. Vielleicht kann uns das kleine Loch noch etwas verraten. Habt ihr eine Lupe? « Ohne die Augen von Camilla Loen abzuwenden, streckte Harry die Hand aus, spürte das Gewicht des optischen Geräts deutscher Werta r beit und studierte die Haut rings um das Loch.
    » Was siehst du? «
    Beates leise Stimme war dicht neben seinem Ohr. Sie wa r s tets darauf erpicht dazuzulernen. Harry wusste, dass er ihr bald nichts mehr würde beibringen können.
    » Der graue Schimmer auf dem Schwarz der Einschusswunde deutet darauf hin, dass sie aus nächster Nähe erschossen worden ist, der Schuss aber nicht aufgesetzt war «, sagte er. » Ich tippe auf einen halben Meter. «
    » Aha. «
    » Die Asymmetrie der Verfärbung zeigt, dass der Schütze höher als sie stand und schräg nach unten geschossen hat. «
    Harry drehte den Kopf der Toten vorsichtig zur Seite. Die Stirn war noch nicht ganz kalt. » Keine Austrittswunde «, sagte er. » Das unterstützt meine Vermutung, dass der Schusskanal schräg verläuft. Vielleicht kniete sie vor dem Mörder. «
    » Kannst du erkennen, was für eine Waffe verwendet worden ist? «
    Harry schüttelte den Kopf. » Das soll der Gerichtsmediziner in Zusammenarbeit mit der Ballistik rausfinden. Aber ich sehe kaum Schmauchspuren, und das deutet auf eine Waffe mit kurzem Lauf hin. Eine Pistole
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