Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
Vom Netzwerk:
das Zelt des Fürsten. Ronder, den man inzwischen wieder von seinen Fesseln befreit hatte, blickte ihm missmutig entgegen.
    »Was gibt es?«, fragte er.
    »Herr, einer unserer Kundschafter ist gerade zurückgekehrt. Canai hat sein Lager abgebrochen und seine Armee in Richtung Schloss Denan in Marsch gesetzt.«
    Auf Ronders Gesicht zeichnete sich Entsetzen ab. Ungeachtet aller Schmerzen richtete er sich auf. »Das bedeutet, Karem und die anderen laufen in eine Falle!«
    »Ja, Herr!«
    »Schickt ihnen sofort unsere Reiter hinterher!«
     
    Karem lag auf dem Rücken, das Gesicht dem Himmel zugewandt, aber er sah die Wolken nicht. Die Pfeile, die ihn getroffen hatten, waren vergiftet gewesen, und das schnell wirkende Gift hatte ihn erblinden lassen und seine Sinne verwirrt.
    Er war wieder zu dem Kind geworden, das er einmal gewesen war. Er konnte den leichten Regen auf seinem Gesicht spüren, aber er wusste nicht, wo er war und warum er hier lag. Leise begann er zu weinen.
    Drewes, nicht weit von Karem entfernt, hörte das Schluchzen und kroch unter großen Schmerzen zu ihm hinüber. Aus einer tiefen Wunde an seiner Hüfte sickerte unablässig Blut und benetzte das Gras. Er hatte den letzten Angreifer getötet, war aber dabei von einem Schwerthieb getroffen worden.
    Karem bemerkte die Bewegung neben sich.
    »Vater?«, fragte er vorsichtig.
    Drewes kniete sich neben dem Sterbenden und bettete dessen Haupt in seinen Schoß. Seine Hände umfassten Karems zitternde Hand. Tränen liefen über die Wangen des Leutnants, als er mit erstickter Stimme sagte: »Ja Karem, ich bin es.«
    »Vater!«, seufzte Karem glücklich. In seinem Geist erschien Djorans Antlitz. Er sah die gütigen Augen und das sanfte Lächeln, das ihm Geborgenheit schenkte.
    Drewes Finger fuhren durch das braune Haar.
    »Vater?«
    »Ja, mein Sohn?«
    »Ich habe Schmerzen. Es ist so dunkel hier und ich fürchte mich!«
    »Ich weiß, Karem. Es wird bald vorbei sein. Ich werde dich von hier fortbringen.«
    »Wohin gehen wir, Vater?«
    »Dort zu dem Licht, mein Sohn. Dorthin wollen wir gehen.«
    Karem starb mit einem Lächeln.
     
    Als Sandor und die Reiter eine Stunde später die kleine Waldlichtung erreichten, war auch Drewes nicht mehr am Leben.
     
     

16.
     
    Als die Reiter mit ihren toten Kameraden ins Lager des Fürsten zurückkehrten, herrschte eisiges Schweigen.
    Die Soldaten und die Orks bildeten zwei lange Reihen. General Sandor ließ absitzen und die Gefallenen vor das Zelt des Fürsten legen. Im Tode vereint, die Gesichter dem Himmel zugewandt, lagen da der alte General Avetar, sein Sohn Drewes, Karem und zehn weitere Krieger.
    Ronder trat aus seinem Zelt. Sein blasses Gesicht war schmerzverzerrt, aber er hielt sich aufrecht und erlaubte nicht, dass Jawelar ihn stützte. In seinen Augen standen Tränen, als er vor seinen toten Freunden stehenblieb.
    Der Regen fiel unablässig, benetzte die Gesichter der Trauernden. Lange standen sie so da, schweigend und der Hass auf diesen heimtückischen Hinterhalt brannte in ihren Seelen.
    Schließlich war es der Fürst, der sich als Erster abwandte. Sein Blick bohrte sich in General Sandors Augen. »Begrabt die Toten, alle bis auf Karem. Er war der Sohn eines Königs und wird in der Fürstengruft von Melwar bestattet. Zwei Reiter sollen seinen Leichnam noch heute zurück in die Stadt bringen. Unsere Armee soll das Lager abbrechen, wir nehmen sofort Canais Verfolgung auf!«
    »Aber Herr, Ihr seid zu schwach. Ich kann nicht ...«, versuchte Sandor zu widersprechen.
    »Sandor!«, zischte Ronder. »Du bist ein guter Freund, aber versuche nicht, mich aufzuhalten!«
    Der General senkte betrübt das Haupt und nickte ergeben.
     
    Fürst Ronder war gerade dabei, seine leichte Reiteruniform anzulegen, als eine der Wachen, die vor seinem Zelt postiert waren, eintrat und Meldung machte.
    »Was gibt es?«, fuhr ihn Ronder unbeherrscht an. Die Schmerzen hatten wieder zugenommen, und das dumpfe Pochen in seinem Armstumpf trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.
    »Herr, verzeiht mir, aber draußen ist der Ork Crom. Er bittet darum, Euch sprechen zu dürfen.«
    »Was will er?«
    »Das weiß ich nicht, Herr.«
    »Schick ihn herein!«
    Der Wachposten verschwand, und kurz darauf schob Crom seinen massigen Körper durch die Zeltöffnung. Er musste sich bücken, um nicht mit dem Kopf die oberen Zeltstangen einzureißen.
    Ronder betrachtete den Waldriesen aufmerksam. Karem war sein bester Freund gewesen, und obwohl Orkgesichter nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher