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Das Fluestern des Todes

Das Fluestern des Todes

Titel: Das Fluestern des Todes
Autoren: Kevin Wignall
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setzte sich auf und schob sich ein paar Kissen in den Rücken, passte aber auf, dass sie mit der Decke ihre Blöße bedeckte. Sie schien etwas sagen zu wollen, aber nachdem sie es sich bequem gemacht hatte, bemerkte sie das Buch in seiner Hand und fragte: »Was lesen Sie denn da?«
    »Das Nibelungenlied .«
    »Das was?«
    »Ein altes deutsches Epos, das Wagner für seinen Ring aufgegriffen hat. Aber natürlich ist die Oper nicht so gut wie das Buch.« Sie konnte über seinen Scherz nicht einmal lächeln – was ihn andererseits nicht wirklich überraschte: Sie war noch immer aufgewühlt, während er viel zu viel Zeit alleine verbracht und sich mit seinem verqueren Humor nur selbst unterhalten hatte.
    »Lesen Sie so’n Kram zum Spaß?«
    »Ist ’ne gute Geschichte.«
    Sie zuckte die Schultern und sagte: »Waren Sie auf der Uni?« Er schüttelte den Kopf. Sie dachte einen Moment nach, bevor sie nachhakte: »Haben Sie mal was von Jane Austen gelesen?«
    Wieder schüttelte er den Kopf.
    »Ich glaube, das ist nichts für mich.«
    »Sie sollten’s mal mit Überredung versuchen. Ich hab’s gerade ausgelesen. Ich würd Ihnen das Buch ja ausleihen, aber es ist in meinem Gepäck.« Er lächelte. Ihm gefiel es, dass sie über Bücher sprachen – es war fast so etwas wie eine richtige Unterhaltung. »Du solltest auch mal dieses Buch lesen«, sagte er, doch ihre Gedanken waren schon wieder woanders.
    »Glauben Sie wirklich, dass man mich kidnappen wollte?«, sagte sie schließlich.
    Er brauchte einen Moment, um ihren Tonfall richtig deutenzu können: Sie wollte offensichtlich nicht mehr die geschönte Version hören, sondern die ganze Wahrheit. Was ihn zu der Vermutung führte, dass sie vielleicht mehr von Hattos Geschäften wusste, als ihr Vater ahnte.
    »Schwer zu sagen. Es gibt momentan reichlich übereifrige Amateure. Die tun nicht immer das, was man von ihnen erwartet.«
    »Aber?«
    »Ich vermute, dass sie dich umbringen sollten.«
    Zuerst sah sie ihn erschrocken an, dann wurde sie plötzlich von einem Brechreiz geschüttelt. Sie rannte zum Bad und riss die Decke noch mit sich, schaffte es aber nicht, ihren Körper damit zu bedecken.
    Für den Bruchteil einer Sekunde sah Lucas ihre nackte Haut, sah die Schamhaare – Details, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten, bevor sie im Bad verschwunden war. Besorgt hörte er, wie sie sich auf der Toilette übergab. Es dauerte nicht lange, aber sie brauchte fünf Minuten, bis sie die Tür wieder öffnete. Die Decke hatte sie so sorgfältig um sich geschlungen, dass nur ihr Kopf und die Füße zu sehen waren.
    Sie setzte sich auf die Bettkante. »Tut mir leid«, sagte Lucas. »Ich hätte besser nichts sagen sollen, aber ich hatte das Gefühl, dass du es ohnehin wusstest.«
    Ella schüttelte den Kopf. »Ich dachte immer, Dads Geschäfte seien …« Sie unterbrach sich. »Klar, es gab Dinge, von denen er uns nichts erzählt hat. Aber selbst wenn da wirklich was dran ist: Wer um alles in der Welt hätte einen Grund, mich umzubringen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht jemand, der sich an ihm rächen will.« Er überlegte, ob er sie über Hattos Geschäfte aufklären sollte – dass es inzwischen nur noch um Investitionen und Transaktionen ging, die durchweg völlig legitim waren. Aber wirklich sicher war er sich da selbst nicht, da sein Wissen letztlich nur aus einer einzigen Informationsquelle stammte, nämlich Hatto selbst. »Das ist ein Thema, über das du mit deinem Vater reden musst.«
    »Wir sollten ihn sofort anrufen.«
    »Ich hab’s versucht – keine Antwort.«
    »Dann versuchen wir’s so lange, bis sie aufwachen.«
    »Was bringt das schon? Besser, wir versuchen es morgen früh noch mal.«
    »Und wenn sie nun selbst in Gefahr schweben?«
    Er hätte ihr am liebsten erzählt, was er wirklich dachte, als Hatto auch beim zweiten Mal nicht abgenommen hatte, doch diesmal hielt er den Mund. Wenn das, was er befürchtete, wirklich eingetreten war, würde er die unvermeidliche Hiobsbotschaft nur aufschieben können. Er hoffte, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits in der Obhut einer Botschaft oder eines Konsulats war.
    »Dein Vater hat mich engagiert, um auf dich aufzupassen. Glaubst du wirklich, dass er sich da nicht auch um seine eigene Sicherheit gekümmert hat?«Er lächelte, wie um zu beweisen, dass es keinen Anlass zur Sorge gab. »Du musst jetzt einfach die Nerven behalten. Ich weiß nicht, ob wir wirklich schon aus dem Gröbsten raus sind, und auf Chris können
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