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Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)

Titel: Das Flüstern der verlorenen Seelen: Kriminalgeschichten mit Schwester Fidelma u. a. (German Edition)
Autoren: Peter Tremayne
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unter einem Schock. Er warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, bevor er sich zu den Toiletten begab.
    »Ist dies die Kabine?«
    »Ja.«
    Evans stemmte sich gegen die Tür und öffnete sie so weit, dass er hineinschauen konnte.
    Der Tote saß vollständig bekleidet auf dem Toilettendeckel. Die Arme hingen schlaff herab, die Beine waren ausgestreckt, so dass sich die Tür nicht ganz aufmachen ließ. Bei der leisesten Erschütterung würde die Leiche zu Boden stürzen, dachte Evans. Vom Mund bis zur Brust war der Tote über und über mit Blut bedeckt. Unter- und Oberkiefer waren zerfetzt, das Blut war bis an die Wände der Kabine gespritzt. Evans verspürte einen starken Brechreiz, schaffte es aber, ihn zu unterdrücken. Ryder hatte ihn bereits darauf hingewiesen, dass der Schuss vermutlich in den Mund abgefeuert worden war. Evans sah sich ratlos um, ohne zu wissen, was er suchte. Dann aber fiel es ihm ein: Die Waffe – wo war sie? Die Hände des Toten waren leer, auf dem Boden war auch nichts zu sehen.
    Evans trat ein paar Schritte zurück. Irgendetwas stimmte hier nicht, aber er wusste nicht recht, was es war.
    Um die Situation ein wenig aufzulockern, scherzte Ryder: »Da von steht nichts in unserem Handbuch für Notfälle an Bord.«
    »Wie ich sehe, haben Sie ein paar Fluggäste umgesetzt«, bemerkte Evans.
    »Ja, alle, die Plätze im vorderen Bereich der ersten Klasse hatten. Zwischen den Sitzreihen und den Toiletten haben wir den Vorhang zugezogen. Der nächste Schritt wird wohl sein, den Toten aus der Kabine zu holen, oder?«
    »Ist sein Begleiter informiert worden?«
    »Ja, aber ich habe ihm lediglich mitgeteilt, dass es einen Unfall gegeben hat. Keine Einzelheiten.«
    »Gut. Stimmt es, dass es sich bei dem Toten um den Chef eines großen Konzerns handelt?«
    »Richtig, von Kinloch Gray. Der Tote ist Henry Kinlich Gray höchstpersönlich.«
    Evans schürzte die Lippen, als wollte er pfeifen. »Ein hohes Tier also, mächtig und schwerreich.«
    »Reicher geht es wohl kaum.«
    »Haben Sie auf der Passagierliste nachgesehen, ob sich ein Arzt an Bord befindet? Ich denke, unser Mann hat sich diesen ungewöhnlichen Ort ausgesucht, um Selbstmord zu begehen, aber trotzdem sollte sich ein Arzt die Leiche anschauen, ehe wir etwas anrühren. Ich werde mich an die Flugsicherheitsrichtlinien halten und Kontakt zur Zentrale aufnehmen.«
    Ryder nickte zustimmend. »Ich habe Sally schon gebeten, nachzuschauen, ob ein Arzt unter den Fluggästen ist. Es sind gleich zwei da. Sie sitzen nebeneinander, auf C1 und C2.«
    »Sally soll einen von ihnen holen. Wo sitzt übrigens Grays Mitarbeiter?«
    »Auf B3. Er heißt Frank Tilley. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist er Grays persönlicher Assistent.«
    »Ich fürchte, wir müssen ihn bitten, die Leiche zu identifizieren. Ich muss mich an die Vorschriften halten«, betonte der Copilot erneut, als wolle er sich rückversichern.
     
    Sally Beech ging zu den Fluggästen auf C1 und C2. Beide waren Mitte vierzig. Einer der Männer war salopp gekleidet und hatte schlecht frisiertes feuerrotes Haar. Er entsprach keineswegs der gängigen Vorstellung von einem Arzt. Der andere war eleganter gekleidet und wirkte eher konventionell. Sally beugte sich hinab und sagte auf gut Glück einen der beiden Namen, die sie auf der Passagierliste gelesen hatte: »Dr. Fane?«
    Der besser gekleidete der beiden Männer blickte freundlich lächelnd auf. »Ich bin Gerry Fane. Was kann ich für Sie tun?«
    »Herr Doktor, wir haben einen Notfall an Bord«, erklärte Sally. »Der Pilot schickt seine besten Empfehlungen und lässt fragen, ob er Sie kurz bemühen dürfte.«
    Das hörte sich sehr förmlich an und war eine Formulierung aus dem Handbuch für Notfälle. Sally wusste sich nicht anders zu helfen, als sie, wie sie es in ihrer Ausbildung gelernt hatte, wortgetreu und mit unbewegter Miene vorzutragen.
    »Bedaure«, sagte der Mann, »ich bin zwar Doktor, aber nicht Doktor der Medizin. Genauer gesagt, ich bin Kriminologe. Das wird Ihnen nichts nützen. Mein Nachbar, Dr. Ross, ist der richtige Ansprechpartner. Er ist Mediziner.«
    Sally stellte erleichtert fest, dass sich der Rothaarige bereits von seinem Platz erhob und es ihr somit erspart blieb, die Floskel zu wiederholen. »Keine Sorge, junge Dame«, sagte er. »Ich werde einen Blick auf den Patienten werfen. Allerdings habe ich meinen Arztkoffer nicht bei mir. Ich bin nämlich kein praktischer Arzt, sondern Pathologe und komme soeben von einem
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