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Das Fest

Titel: Das Fest
Autoren: John Grisham
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Schornsteins und an seinen angestammten Platz. Luther hatte vor, ihn dort so lange festzuhalten, bis er den fünf Zentimeter breiten Segeltuchriemen um Frostys ziemlich dicke Körpermitte geschlungen und dann sicher am Schornstein befestigt hatte. Genau wie im letzten Jahr. Da hatte es hervorragend geklappt.
    Vic Frohmeyer lief in den Keller, wo seine Kinder sich einen Weihnachtsfilm ansahen. »Mr. Krank stellt seinen Frosty auf! Ihr könnt zugucken gehen, aber bleibt auf dem Bürgersteig.« Der Keller leerte sich.
    Auf der Vorderseite des Daches befand sich wenige Zentimeter vom Schornstein entfernt eine vereiste Stelle, die für Luther praktisch unsichtbar war. Frosty befand sich an seinem Platz, war aber noch nicht gesichert, und während Luther sich damit abmühte, das Nylonseil zu entfernen, das Elektrokabel straff zu ziehen, den Riemen am Schornstein festzubinden, und somit vielleicht den gefährlichsten Schritt der gesamten Operation durchführte, hörte er unter sich Stimmen. Als er sich umdrehte, um herauszufinden, wer ihn da beobachtete, trat er versehentlich auf eben jenen Eisflecken, und sofort entglitt ihm alles.
    Frosty kippte um und sauste die vordere Dachseite hinunter. Es gab nichts, was ihn hätte aufhalten können — kein Seil, keine Schnur, kein Band, überhaupt nichts. Luther schlitterte direkt hinter ihm abwärts, hatte es jedoch glücklicherweise geschafft, sich in allem Verfügbaren zu verheddern. Er glitt mit dem Kopf voran das steile Dach hinunter und schrie dabei so laut, dass Walt und Bev ihn noch drinnen im Haus deutlich hören konnten. Luther rutschte wie eine Lawine auf den sicheren Tod zu.
    Hinterher fiel ihm auf, dass er sich klar an alle Einzelheiten seines Falls erinnern konnte. Die Vorderseite des Daches war offensichtlich stärker vereist als die Rückseite, denn er fühlte sich wie ein Puck beim Eishockey. Dann flog er mit dem Kopf zuerst vom Dach und sah die betonierte Auffahrt auf sich zukommen. Später wusste er noch, dass er zwar gehört, aber nicht gesehen hatte, wie Frosty irgendwo in der Nähe krachend auf dem Boden aufschlug. Kurz darauf verspürte er einen scharfen Schmerz in den Knöcheln, weil das Seil und das Verlängerungskabel kein Spiel mehr hatten, sich abrupt strafften und den armen Luther mit einem Ruck aufhielten, wodurch sie ihm zweifellos das Leben retteten.
    Luther auf seinem Bauch das Dach hinuntersausend und scheinbar seinen flüchtigen Frosty verfolgend — dieser Anblick war zu viel für Walt Scheel. Er krümmte sich vor Lachen. Bev hingegen beobachtete die Szene mit Entsetzen.
    »Sei still, Walt!«, schrie sie und fügte gleich darauf hinzu: »Tu doch etwas!« Luther hing inzwischen ein gutes Stück über dem Boden und drehte sich langsam. Seine Füße befanden sich nicht weit von der Dachrinne entfernt.
    Hilflos schwang Luther über seiner Auffahrt. Nach einigen Drehungen hatten sich Nylonseil und Verlängerungskabel fest miteinander verflochten und bewegten sich nicht mehr. Luther wurde schlecht, und er schloss für eine Sekunde die Augen. Wie erbricht man sich, wenn man kopfüber nach unten hängt?
    Walt wählte die Notrufnummer 911. Er meldete, dass ein Bewohner der Hemlock Street sich verletzt habe, sich vermutlich sogar in Lebensgefahr befinde, daher solle auf der Stelle ein Krankenwagen geschickt werden. Dann rannte er hinaus und auf die andere Straßenseite, wo sich inzwischen die Frohmeyer-Kinder unter Luther versammelt hatten. Gerade kam auch Vic Frohmeyer angelaufen, und nebenan stürmte der gesamte Becker-Klan aus dem Haus.
    »Der arme Frosty«, hörte Luther eines der Kinder sagen.
    Er hätte am liebsten gebrüllt: »Euch geb ich gleich einen armen Frosty!«
    Das Nylonseil schnitt ihm ins Fleisch. Außerdem wagte er es nicht mehr, sich zu rühren, weil es ein wenig nachzugeben schien.
    Da er sich immer noch gute zwei Meter vierzig über dem Boden befand, würde ein Sturz verheerende Folgen haben. Luther versuchte, tief durchzuatmen und sich zusammenzunehmen. Auf einmal hörte er die Stimme von Frohmeyer, diesem Großmaul. Würde mir bitte jemand den Gnadenschuss verpassen?, dachte er.
    »Luther, geht es dir gut?«, erkundigte sich Frohmeyer.
    »Prima, vielen Dank, Vic. Und selbst?« Langsam fing Luther an, sich wieder im Wind zu drehen. Es dauerte nicht lang, bis sein Gesicht der Straße zugewandt war und er sich Auge in Auge mit seinen Nachbarn wiederfand, den letzten Menschen, die er im Moment sehen wollte.
    Irgendjemand rief: »Holt
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